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Bergwandern mit Kindern? Ja!

Hoch hinaus: Fünf Freunde, ein Vierbeiner, ein spannender Pfad, eine urige Hütte, gute Brotzeit – mehr braucht man nicht für Spaß in den Bergen


Die Sonne strahlt. Gefühlte 30 Grad. Schwül. Wir haben noch keinen einzigen Schritt getan und schwitzen bereits. Unsere 36-jährige Wanderführerin Katrin checkt mit geschultem Blick noch einmal unsere Ausrüstung. „Der Rucksack muss auf der Hüfte sitzen, sonst tun einem schnell die Schultern weh. Mach deinen Schultergurt noch etwas kürzer“, sagt sie zu Lara, 9. „Genau, so passt’s.“

Dann breitet Katrin die Wanderkarte auf dem Boden aus und zeigt uns – zwei Müttern und vier Kindern – die vor uns liegende Tour. Von Birksau nahe Oberstdorf im Allgäu geht es über den Guggersee und den Krumbacher Höhenweg bis zur Mindelheimer Hütte auf 2058 Meter. Etwas über 1000 Höhenmeter sind zu bewältigen. Lara, ihre Schwester Antonia, 15, mein Sohn Kilian, 10, und sein gleichaltriger Klassenkamerad Simon sind aufgeregt. Eine Nacht auf einer Hütte: „Wie cool!“ Noch dazu haben wir zur großen Freude der Kinder einen weiteren Wanderbegleiter: Katrins Hündin Mika. Auch der Malamute-Labrador-Mischling freut sich schwanzwedelnd auf die Wanderung.

Kinder, hier kommt kein Bus vorbei, wir müssen weiterBergführerin Katrin Aichinger

Katrin drückt Kilian die Wanderkarte in die Hand. „Magst du uns führen? Los geht’s!“ Die Kinder stehen vor Wegweisern, studieren die Karte. Es geht zunächst über eine Brücke über die Stillach, dann über Waldwege steil bergauf. Schon nach ein paar Minuten der Wegweiser: Mindelheimer Hütte, 5 ½ Stunden. Wir rechnen allerdings nicht damit, dass wir unser Ziel in dieser Zeit erreichen. Wir wollen gemütlich laufen, viele Pausen einlegen, das Bergpanorama genießen – schließlich haben wir den ganzen Tag Zeit. Die Kinder dürfen Mika abwechselnd an der Leine führen. Doch eigentlich führt Mika die Kinder an. Sie will nämlich immer die Erste sein. Katrin lacht: „Zwei Mädels, zwei Jungs, der Hund – die sehen aus wie die ,Fünf Freunde‘!“ Aber unsere Wanderführerin ermahnt die Kinder auch zur Vorsicht: „Der Hundeführer muss immer hellwach sein und darf nie die Leine loslassen!“ Wenn Mika einen Hasen, ein Murmeltier oder ein Reh sieht, gibt sie nämlich Vollgas. Aber der Hundeführer hat auch einen großen Vorteil: Mika läuft zügig und zieht ein Kind fast bergauf. „Das ist beinahe so, als würde man auf einem ganz normalen Weg laufen, wenn man Mika führt“, sagt Antonia. Daher wechseln sich die Kinder ab, alle 15 Minuten darf ein anderer mit Mika laufen.

 

Erwachsene wandern langsam, dafür gleichmäßig. Kinder eher nicht. Sie hüpfen, springen, spurten, bleiben stehen, flitzen weiter und kommen so auch schnell aus der Puste. Auch unsere vier fordern alle 20–30 Minuten eine Trinkpause, wollen zur Stärkung ein Stück Salami, Traubenzucker oder ein paar Gummibärchen essen. Immer wieder halten wir kurz an. „Kinder, hier kommt kein Bus vorbei, wir
müssen weiter“, sagt Katrin lachend. Natürlich setzen wir uns auch ab und an hin, um die fantastische Aussicht zu genießen: den Blick auf die Berge wie die 2608 Meter hohe Bretterspitze und die gezackte Höfats mit ihren 2259 Metern. „Oh, ist das schön“, ruft meine Freundin Bianca immer wieder. Vermutlich der meist gebrauchte Satz an diesem Wochenende. Auch Antonia, Lara, Kilian, Simon und ich rufen immer wieder: „Oh, ist das schön!“

Aber so ist es nun einmal: Da sind diese wunderschönen Bergblumen, der Blaue Enzian, das blaue Schusternägele, die gelben Trollblumen, der Weiße Germer, die lilafarbenen Alpenrosen. Farbenprächtige Schmetterlinge setzen sich auf die Hände der Kinder und lassen sich bestaunen, Libellen ziehen brummend an uns vorbei. Eidechsen sonnen sich auf flachen Steinen. Murmeltiere stecken ihre Köpfe aus Höhlen und huschen über Almwiesen.

Nach sechs Stunden sind alle müde, aber stolz und hungrig

Beim Guggersee auf 1725 Metern machen wir die erste größere Pause. Doch statt sich auszuruhen, rennen die Kinder nach ein paar Minuten am Ufer des kleinen Gebirgssees herum und werfen Steine ins Wasser. Kurz danach füllen wir an einer Quelle unsere Wasserflaschen auf. „Schmeckt das gut!“ Lara nimmt einen kräftigen Schluck. Nach fünfeinhalb Stunden sehen wir in der Ferne die Mindelheimer Hütte, 30 Minuten später kommen wir an. Müde, aber auch ziemlich stolz.

Wir ziehen Jacken an und essen vor der Hütte Käsekuchen. Zum Abendessen gibt es Brotzeit mit Schinken, Salami und Almkäse, Nudelsuppe und selbst gemachte Nudeln mit Pilzen. Katrin, Bianca und ich sitzen gemütlich mit den anderen Wanderern in der warmen Gaststube. Die Kinder flitzen trotz kühler zehn Grad draußen rum, spielen Fangen und Verstecken. Um zehn Uhr ist Hüttenruhe. Wir teilen unser Lager mit einem älteren Ehepaar, das schon schläft. Fünf Minuten raschelt es noch – dann ist nur noch gleichmäßiges Atmen zu hören. Um die Hütte pfeift der Wind.

Touren-Infos

Am nächsten Morgen gießt es in Strömen. Wir ziehen unsere Regensachen an. Zuerst geht es noch einmal eine halbe Stunde bergauf bis zur Kemptner Scharte. Hier verlassen wir Deutschland und überqueren auf 2103 Metern die Grenze zu Österreich. Vor dem Abstieg hält Katrin an: „Kinder, hier geht es steil bergab. Der Weg ist ausgesetzt. Es kann rutschig sein. Passt gut auf, haltet euch an den Stahlseilen fest und haltet Abstand.“ Nebelschwaden ziehen an uns vorbei. Wolken hängen im Tal.

Die Sicht ist so schlecht, dass wir kaum erkennen können, wie tief es recht und links tatsächlich abwärts geht. Hochkonzentriert und ohne viel zu sprechen, steigen wir einer nach dem anderen ab. Erst bei einer kurzen Pause schaut sich Simon um und ruft: „Schaut mal diesen riesigen Wasserfall an.“ Tatsächlich gibt es bei so starkem Regen nicht nur einen, sondern viele Wasserfälle, die gen Tal stürzen. Dann laufen wir weiter durchs Wildental, runter ins Kleinwalsertal in Österreich. Drei Stunden dauert unser Abstieg. Drei Stunden Regen. Windig und nass ist es – aber trotzdem schön. Auf der Heimfahrt im Zug – mittlerweile wieder aufgewärmt – planen wir unsere nächste Tour. Nächsten Sommer geht’s auf die Zugspitze.



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