Wundern & Wissen

Besser konzentrieren

Verlieren Kinder wegen medialer Reizüberflutung die Fähigkeit, bei der Sache zu bleiben? Wie gelingt Konzentration? Und: Können Eltern dabei irgendwie helfen? Wir haben Menschen gefragt, die es wissen sollten:
Pädagogen, Wissenschaftler – und einen Fluglotsen


Gymnasium, 10. Klasse. Morgen wird Mathe geschrieben. Blick ins Zimmer der Tochter: Daddeln am Computer statt Trigonometrie. Die Tochter sagt: „Ich kann mich eh nicht konzentrieren.“ Dieser Satz duldet keinen Widerspruch. Keine Konzentration – kein Lernen möglich. Leider. So einfach ist das.

Als Ursache von Schulschwierigkeiten hat fehlendes Konzentrationsvermögen eine beachtliche Karriere hingelegt. Auf der Klage-Hitliste von Eltern, die ansonsten unfähige Lehrer und blöde Hausaufgaben dominieren, landen Konzentrationsprobleme des Nachwuchses inzwischen ganz weit oben. Dass es Schülern zunehmend schwerer fällt, bei der Sache zu bleiben, scheint plausibel. Schließlich bindet internetfähiger i-Schnickschnack mit ständig aufregenderen Angeboten immer mehr Aufmerksamkeit.

Pessimisten haben gar den Eindruck, Schülern gehe langsam, aber sicher die Fähigkeit zur Konzentration komplett verloren. So schlimm ist es aber zum Glück nicht, meinen Experten.

Der Lehrer

Josef Kraus unterrichtet Deutsch und Sport, ist Direktor eines bayerischen Gymnasiums und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL). Kraus verfügt über einen Wikipedia-Eintrag, das Bundesverdienstkreuz und einen Ruf wie Donnerhall. In „Helikopter-Eltern“, seinem neuesten Buch, geißelt er den häuslichen Förderwahn, angetrieben von der OECD, Wirtschaftsverbänden und unseriösen Hirnforschern. Josef Kraus redet gern Tacheles: So findet er, dass viele Kinder mit der für sie vorgesehenen Schullaufbahn schlicht überfordert sind. Probleme mit der Aufmerksamkeit, sagt Kraus, müssten deswegen auch schon mal „als Ausrede“ herhalten.

Mein Tipp an Eltern: Fördern Sie das Lesen.Josef Kraus

Grundsätzlich aber hegt der langjährige Basisarbeiter keinen Zweifel: Schüler früherer Generationen konnten sich sehr viel besser konzentrieren. „Sie waren ausdauernder, hartnäckiger und weniger ablenkbar. Und besser ausgeschlafen!“ Schuld am fortschreitenden Niedergang dieser Tugenden hat selbstverständlich „die mediale Rundumversorgung inklusive SMS-Sprache, Facebook und Co. mit ihren ständigen Szenen- und Spannungswechseln, die suggerieren, dass es auch beim Lernen ebenso aufregend zugehen müsse“.

Unterricht aber, da beißt die Maus keinen Faden ab, ist oft das genaue Gegenteil. Binomische Formeln etwa sind von Natur aus eher unsexy. So blenden Schüler beim Lernen gern mal das eigentliche Thema aus und beschäftigen sich anderweitig.

Blöderweise wirke „die ‚moderne‘ Unterrichtsdidaktik mit ihrem ständigen Methoden- und Medienwechsel“ auch noch wie ein Brandbeschleuniger. Wo dauernd Tische gerückt und funktionierende Beamer gesucht werden müssen, fällt es schwer, am Thema dranzubleiben. Kinder könnten sich im Unterricht jedenfalls besser konzentrieren, wenn Lehrer endlich wieder wegkämen von der „visualisierten Häppchen-Präsentation“, davon ist Kraus überzeugt.

Für Eltern hat der Germanist einen einfachen Rat: Sie sollten das Lesen ihrer Kinder fördern. Dass Gehirn und Konzentrationsfähigkeit davon enorm profitieren, bestätigen auch Wissenschaftler.



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