Meinen & Sagen

„Lernen lernen – je früher, umso besser“

Der Lehrer, Lerncoach und Bildungsaktivist Jürgen Möller erklärt, wie Schüler das Lernen lernen können, warum sie ihre Noten damit nachhaltig verbessern – und wie Eltern sie dabei sinnvoll unterstützen


Herr Möller, kann man eigentlich wirklich das Lernen lernen?
Ja, das kann man in der Tat. Und das ist auch deshalb zwingend notwendig, weil die meisten Probleme, die Schüler in der Schule haben, nicht darin begründet liegen, dass sie den Lernstoff kognitiv nicht verarbeiten können, sondern weil sie nicht richtig lernen und weil der Lernstoff nicht immer zum Lerntyp passt.

Welche Lerntypen gibt es denn, und wie finde ich heraus, welcher ich bin?
Ich unterscheide zwischen dem logisch-abstrakten, dem sicherheitsliebenden, dem emotionalen und dem kreativ-chaotischen Lerntyp. Herauszufinden, ­welcher Lerntyp mein Kind ist, funktioniert vor allem über ­Beobachtung von außen und die Reflexion des eigenen Lernens. Dies kann mit speziellen Tests, aber vor allem auch im Gespräch mit den Lehrern geschehen.

Noten werden besser, wenn ich Lernstoff schneller und effektiver aufnehme und verarbeiteJürgen Möller, Lehrer und Lerncoach

Wofür genau sind Lernmethoden und -techniken gut? Werden dadurch wirklich Noten besser?
Noten werden besser, wenn ich Lernstoff schneller und effektiver aufnehmen und verarbeiten kann. Zudem ist es von Vorteil, wenn der Lernstoff auch langfristig abgespeichert bleibt. Hierbei sind Lern- und Wiederholungstechniken notwendig, um erfolgreich lernen zu können. Zudem sorgen gute Noten für Erfolgserlebnisse, die dann wiederum zusätzlich motivieren.

Sind Schüler heute eigentlich denkfauler, weil ihnen so viel vorgesetzt wird?
Auffällig ist häufig die kürzere Konzentrationsfähigkeit und die fehlende Bereitschaft, sich tiefer gehend und ausdauernd auch mit schwierigen Problemstellungen auseinanderzusetzen. Hier ist oft der Wunsch nach weiterzappen oder -swipen zu beobachten; also dass die Schüler nach neuen Reizen verlangen, wenn der aktuelle zu langweilig oder überfordernd erscheint.

Wie können denn Schüler dazu angeregt werden, eigene ­Lernwege zu gehen?
Indem man die natürliche Neugierde und die ganz ­individuellen Lernwege unterstützt, ohne diese direkt zu bewerten. Das sollte auch Grundlage jeder Unterrichtsstunde sein. Zudem bin ich ein großer Befürworter von Projektarbeit und fächerübergreifendem Unterricht. In so einem Lernumfeld werden verschiedene Lernwege in der Gruppe benötigt, um eine bestimmte Herausforderung meistern zu können.

Und wie können Eltern zu Hause das Lernen lernen unterstützen?
Eltern sollten generell Druck rausnehmen, Verständnis zeigen und nie vergessen, was es überhaupt bedeutet, Schüler zu sein. Fördern und fordern ist sicherlich eine wichtige Unterstützungsstrategie. Eine gute Balance aus Vereinbarungen, die das Lernen betreffen, und Freiräumen, in denen Schule keine Rolle spielt, ist das erfolgversprechendste Konzept.

In welchem Alter kann man was versuchen bzw. erwarten?
Je früher die Schüler beginnen, Lerntechniken einzusetzen, also z. B. strukturiert und geordnet an Lernstoff heranzugehen, desto besser. Spätestens ab der vierten Klasse sollten Schüler über ein Repertoire an Techniken verfügen. Umgekehrt ist es aber auch nie zu spät, das Lernen zu lernen.

Lerhrer und Bildungsaktivist

Der Gymnasiallehrer Jürgen Möller ist ausgebildeter Lerncoach. Seit über zwölf Jahren steht das Thema „Lernen lernen“ im Mittelpunkt von Möllers pädagogischer Arbeit. www.lerntraining.de

Lernen lernen – Jürgen Möller – Magazin SCHULE ONLINE

    Kann man dabei auch etwas falsch machen?
    Weniger, als man befürchtet, aber auch mehr, als man denkt. Kinder entwickeln sich in der Regel auf ­natürliche Weise. Es ist aber empfehlenswert, sie ­frühzeitig zu unterstützen und zu fördern. Aber diese frühe Förderung sollte sich ausschließlich an den ­Interessen und Neigungen des Kindes orientieren, nicht an denen der Eltern. Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

    Welche negativen Lernerfahrungen bei Schülern haben Sie als Lehrer erlebt?
    Für mich persönlich ist es immer schlimm, mit ­anzusehen, wie Kinder ihre persönliche Neugierde und die Lust am Lernen verlieren. Denn eigentlich wollen Kinder lernen. Wenn aber Lernen im Bewusstsein des Kindes mit den Begriffen Stress, Streit in der Familie, Erwartungen, Überforderung oder gar Angst überschrieben wird, kann das verheerende Auswirkungen haben. Dies erlebe ich leider allzu häufig.

    Warum kommt das Lernen lernen in den Schulen eigentlich zu kurz?
    Zum einen muss meiner Meinung nach die Lehrerausbildung weiter optimiert werden. Auf so ­relevante Themenbereiche wie Digitalisierung des Lernens und Lernmethodik wird nicht in ausreichendem Maße eingegangen, sodass die jungen Lehrer und Lehrerinnen oftmals nicht das nötige Wissen besitzen. Zudem sind die Lehrpläne oft so vollgepackt, dass solche wichtigen Themen leider unter den Tisch fallen.

    Lohnt sich die Unterstützung durch Lerntherapeuten oder Coaches?
    Es ist im Einzelfall immer zu prüfen, was dem Kind mit seinen ganz individuellen Problemen die ­besten ­Lösungsansätze bieten kann. Bei diagnostizierten Lernstörungen sind Lerntherapeuten eine große ­Hilfe. Lerncoaches erarbeiten mit dem Kind gemeinsam ­Lösungsstrategien – in der Regel Lerntechniken. Nachhilfe unterstützt vor allem bei akuten Fach­pro­blemen und sollte nie langfristig angelegt sein. Da kann ein Werkzeugkasten voller Lerntechniken dem ­Schüler ­besser helfen.

    Schulen sollten auch einmal über den Tellerrand schauenJürgen Möller

    Was muss sich an unseren Schulen ändern, um das Lernklima zu optimieren?
    Hier gibt es sicherlich nicht den einen Weg. Wichtig ist aber grundsätzlich, dass Schulen und eben auch die Bildungspolitik fernab von Ideologien weiter offen sind für gute Ideen. Auch mal über den Tellerrand zu schauen und sich mit tollen Schulprojekten in anderen Ländern zu beschäftigen ist für den Bildungsstandort Deutschland unerlässlich.

    Auf den Punkt: Was ist Ihr Rezept zur bestmöglichen Förderung des Lernerfolgs?
    Offenheit gegenüber Neuem, den Mut zu entwickeln, Fehler zu machen, Vertrauen in das Potenzial jedes einzelnen Kindes, den Spaß am Lernen nicht verlieren und letztendlich auch der Erwerb passender Lerntechniken. Einfach gesagt und doch leider oftmals in der Umsetzung so schwer.



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