Denken & Diskutieren

Uns stinkt’s!

Das dreckige Örtchen: Kinder ekeln sich, Mütter sind besorgt, Schulleiter genervt, Elternbeiräte empört. Der Streit um unhygienische Schultoiletten bringt kuriose Lösungsansätze hervor. Eine Auswahl.


Eine Rolle Papier zum Pausenbrot

Die Schüler der Heinrich-Heine-Grundschule in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) bekamen eine Zeit lang zum Käsebrot noch eine Rolle Klopapier mit in den Ranzen. Auf den Vandalismus in ihren Schultoiletten hatte die Direktorin nämlich mit einer konsequenten Abschaffung von Toilettenpapier reagiert. Allen Belehrungen und Diskussionen zum Trotz waren zuvor über Jahre hinweg die WCs verstopft gewesen.

Die Maßnahmen waren befristet, für Notfälle hielten die Lehrer Papier bereit. Nach Wiedereinführung des Toilettenpapiers registrierten die Lehrer: Die Kinder verhielten sich wachsam, geradezu wie „Hilfssheriffs“. Die Toiletten blieben sauber. Während des befristeten Umzugs in den Neubau wurden die dortigen Örtlichkeiten sehr pfleglich behandelt. Erst nach Sanierung der WCs im Altbau kam es Ende 2013 interessanterweise erneut zu verstopften Schüsseln. Appelle und Fotos von verunreinigten Toiletten reichten damals aber aus, um die Kinder zu mehr Sauberkeit anzuhalten.

 

Pipi-Flatrate

In der nordrhein-westfälischen Euregio-Gesamtschule Rheine waren die Zustände dramatisch, zwei Drittel der Schüler nutzten die vorhandenen WCs aus Ekel nicht mehr. Nach vielen Überlegungen, dreijähriger Planung und durch die Unterstützung von Sponsoren war es endlich so weit: Die neue „Location“ Schultoilette war mit italienischen Fliesen und Schminktisch perfekt renoviert. 15,50 Euro zahlen Eltern nun pro Familie und Jahr, davon werden zwei Reinigungskräfte finanziert.

Der Erfolg der Pinkel-Flatrate: Kein Vandalismus mehr, keine verstopften Toiletten, keine Beschwerden seitens der Eltern. Und das seit 2008! Die damals amtierende Bürgermeisterin Angelika Kordfelder machte nebenher die ganz neue Erfahrung, einmal eine Jungs-Toilette offiziell einzuweihen.

 

Kunst am Klo

Sanierungen und moralische Appelle hatten längst versagt, da nahm ein Schuldezernent in Mittelhessen den Kampf gegen dreckige Schultoiletten mit Witz und Kreativität auf. Ein Kunstwettbewerb unter dem Motto „WC – Wahre Cunst“ sollte an Schulen Abhilfe schaffen. Er findet seit 2008 in unregelmäßigen Abständen statt.

Der Preis ist mit bis zu 1000 Euro dotiert, da lohnt sich der Griff zu Pinsel und Farbe. Manche WCs wurden als „chinesisches Zimmer“, andere in den Farben der bayerischen Flagge gestaltet. Die Künstler-Örtchen bleiben gepflegt und werden gern besucht. Manche sprechen schon von „Toiletten-Tourismus“.

 

Kalender des Grauens

Eltern, Lehrer und Schüler der Berliner Montessorischule Tietzenweg wollten die Sanierung der Schul-WCs vorantreiben. Ihr „Geschenk“ an Bezirksamt und Senat: ein Kalender mit gruseligen Fotos der heruntergekommenen Örtlichkeiten. Der humorvolle Hinweis war bislang leider nicht zielführend. Nun soll eine Postkartenaktion folgen.

 

Vorsicht, Kamera!

Immer mehr Schulen griffen eine Zeit lang zu Big-Brother-Methoden: Sie installierten Kameras in den Vorräumen oder im Eingangsbereich der Toiletten – meist nur Attrappen.

Dennoch missfällt dieses Vorgehen Datenschützern und Eltern. Auch wenn es sich meist nur um abschreckende Fake-Kameras handelt, sei es doch ein pädagogisches Armutszeugnis. Illegal noch dazu. Und obendrein fast völlig nutzlos. In Hamburg beispielsweise waren schon vor einigen Jahren Kameras an fast jeder sechsten Schule allgegenwärtig – die Fälle von Vandalismus sind dort allerdings nur marginal niedriger.

 

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Saubere Schultoiletten – für viele Schüler ein seltenes Erlebnis
Eintritt kostenpflichtig

Reichlich Toilettenpapier, hübsche Bilder statt Graffiti, Pflanzen und Sauberkeit: Für einen kleinen Unkostenbeitrag von 4 Euro pro Schuljahr bietet sich Kindern einer Bielefelder Schule seit einigen Jahren auf der Toilette ein erfreulicher Anblick. Im Preis inbegriffen: Händewaschen und der Blick in einen geputzten Spiegel in der so genannten „Tropfsteinhöhle“ im Hundertwasserstil. Seit Renovierung der WCs wachen wechselnde Klofrauen mit Argusaugen über das stille Örtchen, notieren Dreckspatzen und haben ein offenes Ohr für jedes Problemchen der jungen Besucher. Von den Gebühren und einem Zuschuss durch Förderverein und Elternpflegschaft werden Seife und Hygieneartikel gekauft und die BetreuerInnen bezahlt.

Auch wenn einige Eltern und Schulpolitiker empört sind: Das Modell ist erfolgreich, die Schultoiletten werden ordentlich hinterlassen und regelmäßig geputzt. Und wer die 20 kostenlosen Pinkeleinheiten pro Jahr verbraucht hat oder aus Prinzip nicht zahlen möchte, kann die gebührenfreie Toilette benutzen, die es nach wie vor gibt.

An der Bochumer Sibylla-Merian-Gesamtschule hingegen stoppte die Schulaufsichtsbehörde im August 2013 einen Lokus-Obulus – durch das „Premium-Angebot“ entstünde eine Zweiklassengesellschaft.

 

Schüler als Architekten

Man sollte wieder „müssen dürfen“. Unter diesem Motto nahmen Schüler einer Duisburger Realschule die Sanierung ihrer Toiletten selbst in die Hand. Ein Jahr Planung, viele Gespräche mit einer Architektin und 500 Sponsorenbriefe später war die Arbeitsgruppe gerüstet für den Umbau. Unter fachkundiger Anleitung wurde gestrichen und sogar einiges selbst installiert: weg mit rostigen Heizkörpern, her mit neuen WC-Brillen, selbstschließenden Wasserhähnen, Sensorautomatik und Toilettenpapierspendern. Auf einer eigenen Graffiti-Wand darf man offiziell seine Sprüche hinterlassen.

 

Fußfessel-Prinzip

Mit einer Chipkarte aufs Klo? Was nach Science-Fiction klingt, ist am Bergheimer Gutenberg-Gymnasium Realität. Schüler haben hier nur noch mit Chip Zutritt zu den sanitären Anlagen.

Das Sicherheitssystem registriert, wann und wie lange man sich auf dem Lokus aufhält. Allerdings werden die Daten täglich gelöscht, die Erhebung dient eher der Abschreckung. Jeder Schüler weiß, dass er rasch in den Kreis der Verdächtigen gerät, wenn während seines WC-Besuchs etwas beschädigt wird. Die Toiletten sind durch die Maßnahme sauberer und sicherer geworden: Vorher hatten auch Schulfremde gelegentlich die Örtlichkeiten benutzt. Im Moment sind die transponder-geschützten Schüler-WC-Anlagen im Zuge der Unterbringung von Flüchtlingen auf dem Gelände abgegeben.

 

Brave Schlüsselkinder

Die Realschule am Bohlgarten und die Albert-Schweitzer-Schule, beide im nordrhein-westfälischen Schwerte, bedienen sich eines klassischen Modells: Während des Unterrichts sind die Schultoiletten abgeschlossen. Wer unbedingt mal muss, kann sich einen Schlüssel im Sekretariat abholen. Der Name wird in einer Liste vermerkt. So kann die Schule rasch nachvollziehen, wer wann auf dem stillen Örtchen war. Man fahre damit gut, heißt es. Vandalismus in den Pausen, wenn die Toiletten regulär geöffnet sind, lässt sich so wahrscheinlich nicht verhindern.

 

Sieger im Toilettenkrieg

Das Klosett hat es sogar zu einem Wettbewerbsthema gebracht: „Toiletten machen Schule“ lautete die Initiative der „German Toilet Organization e. V.“ im Jahr 2013. Gewonnen haben damals vier Schulen, die das leidige Thema kreativ aufgegriffen haben.

So führte die Ernst-Reuter-Schule in Niedersachsen einen freiwilligen „pädagogischen Toiletten-Euro“ ein, mit dem ein Sanitärmanager finanziert wird. Durch das allerorts aushängende „Toilettencredo“ ist das Thema nicht mehr zu übersehen und im Schulalltag gleich positiv besetzt.

Die Berliner Grundschule am Weißen See vermittelte das Thema Hygiene in einem Theaterstück und mit einem Quiz. Der Film über das „Klomonster“ an der Grundschule Wellesweiler nimmt das Thema nicht zu ernst, und mit einer 4-Sinne-Inspektion sollten die Schülerinnen und Schüler der Quentin-Blake-Grundschule Berlin auf den rechten Weg der Reinlichkeit gebracht werden.



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