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Neue Männer braucht das Land

Bildung braucht Vorbilder. Doch in Kindergärten und Grundschulen fehlt es immer mehr an männlichen Erziehern und Lehrern


Jungen sind heute das „vergessene Geschlecht“. Bildungsstudien belegen die ansteigende Leistungsdifferenz zwischen Jungen und Mädchen. Männliche Schüler gelten als Bildungsverlierer. Dies zeigt sich in der Wahl der Schulform, den Abschlussnoten, dem „Sitzenbleiben“ und den Schulabbrüchen. Die internationalen Vergleichsstudien IGLU und PISA belegen, dass Mädchen im Lesen, Schreiben und Textverständnis dominieren und sogar in den Naturwissenschaften an Jungen vorbeiziehen. Und: Sie sind motivierter, gute Abschlüsse zu erzielen, um später eine Karriere zu starten.

Söhne alleinerziehender Mütter wachsen nicht selten bis zu ihrem zehnten Lebensjahr ohne ein einziges männliches Rollenvorbild auf. Und auch heute noch gibt es viele Kinder, die zwar einen Vater im Haus haben, der aber in Vollzeit berufstätig ist und sich nicht oder nur selten um die Erziehung kümmert. Viele Kinder werden also rein weiblich erzogen: Zu Hause übernimmt die Mutter, im Kindergarten gibt es nur Erzieherinnen und in der Grundschule nur Lehrerinnen.

Früher konnten Jungen ihre Identitätsfindung an den klassischen Rollenbildern orientieren. Heute fehlt ihnen zu oft der männliche Gegenpart – während sich Mädchen im weiblichen Beziehungsumfeld entfalten können und gefördert werden. Um ihre eigene Identität aufzubauen, müssen Buben sich nicht selten von der Weiblichkeit abgrenzen, was schließlich zu einem sehr eingeschränkten Verständnis von Männlichkeit führt. Die nötige Kompetenz zur Aushandlung von Toleranz und Kompromissbereitschaft fehlt ihnen. Vielmehr müssen sie sich ständig – und notwendigerweise! – gegenüber Mädchen abgrenzen, um zu zeigen, dass sie anders sind, nämlich Jungs. Nicht selten geht es dann lauter und ruppiger zu. Weibliche Pädagogen können dies oft nicht nachvollziehen.

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Ein männlicher Erzieher versteht die Interessen eines Jungen aufgrund seiner eigenen Erfahrungen meist besser als seine weiblichen Kollegen. Männliche Pädagogen können so einen männlichen Gegenpart darstellen, der die Arbeit der Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen ergänzt. Sie wirken mit ihren eigenen praktischen Beispielen nicht nur klassischen Rollenklischees entgegen, sondern fördern die Geschlechtsidentitätsfindung von Jungen aktiv. Auch wenn es nicht ihre Aufgabe sein sollte, stellen die männlichen Pädagogen somit eine Art „Vaterersatz“ dar, da der männliche Part in der häuslichen Erziehung oft fehlt.

Aus der Psychologie wissen wir, dass man besser durch gleichgeschlechtliche Vorbilder lernt. Der engere Bezug führt zu einer höheren Aufmerksamkeit, was wiederum in einen größeren Lernzuwachs mündet. Das nicht vorhandene Leseverhalten von Jungen ist hier als Beispiel zu nennen. Wenn ausschließlich Frauen vorlesen oder zum Lesen animieren, erscheint dem Jungen das Lesen selbst als weiblich – und folglich auch als „uncool“.

Während Frauen in wichtigen Positionen des wirtschaftlichen Lebens unterrepräsentiert sind, gilt das Gleiche für Männer in Kindergärten und Grundschulen. Eine höhere Anzahl von männlichen Erziehern und Grundschullehrern würde für mehr Chancengleichheit von klein auf sorgen. Pädagogische Bezugspersonen als gleichgeschlechtliches Vorbild stellen einen großen Anteil der Geschlechtsidentitätsfindung dar. Es ist eine Zukunftsaufgabe, dass männliche Pädagogen in den ersten Lebensjahren nicht mehr eine Randerscheinung darstellen werden.



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