Was ist da dran?

App Houseparty: Wie sicher ist sie, wie viel Spaß bietet sie?

„Houseparty“ ist eine Art Partykeller für die Hosen­tasche. Statt Lernstoff geht es hier um Quatsch und Quatschen. Jeder kann fast überall mal schnell reinplatzen. Spaßfaktor hoch, Privatsphäre gleich null


Kein Besuch da, trotzdem quakt und quatscht es aus dem Kinder­zimmer. Das kennen wir inzwischen – Videokonferenz, oder? Aber wenn Sie jetzt genauer hinhören und für einen Talk mit der Mathelehrerin doch zu viel Gekicher und Gegröle dabei ist, dann hat Ihr Kind womöglich die App „Houseparty“ entdeckt – eine Art Partykeller für die Hosen­tasche.

Bis zu acht Teilnehmer können sich in der App zu einer Videokonferenz verbinden. Wobei „Konferenz“ vielleicht das falsche Wort ist, denn es geht hier nicht um Meetings oder Lernstoff, sondern um Quatsch und Quatschen. Die App „Houseparty“ ist einem sozialen Netzwerk fast ähnlicher als einem klassischen Videokonferenz-Tool. Das wichtigste Prinzip: Jeder kann hier fast überall mal schnell reinplatzen.

Die App „Houseparty“: Videochats, möglichst einfach gemacht

Nach dem Download und der Anmeldung durchsucht die App die Kontakte auf dem Smartphone danach, ob sie bereits bei „Houseparty“ sind. Zusätzlich kann man sich mit beliebigen anderen Benutzern verbinden. Die App zeigt an, wer von den Freunden gerade online ist, und schon kann man ihn oder sie per Fingertipp in einen Chatroom einladen.

Die Einladung abweisen kann man nicht; wenn der Moment gerade unpassend ist, muss man den Chat schnell wieder verlassen. Denn alle Nutzer in einem Chatroom sehen einander unmittelbar auf dem Smartphone-Bildschirm. Alle können gleichzeitig drauflosquatschen oder auch schweigen und zuhören. Man kann die Kamera umdrehen, also in die andere Richtung filmen und die neuen Turnschuhe vorführen, den Ton stumm schalten oder – ganz wichtig – einen Chatraum abschließen.

Spaßfaktor hoch, Privatsphäre gleich null

Wird ein Chatroom nämlich nicht aktiv verschlossen, darf jeder User, der mit einem Chat-Teinehmer befreundet ist, ebenfalls in die Konferenz hineinplatzen. Dann gibt es zwar einen kurzen „Stranger Danger“-Alarm, aber danach ist er oder sie drin. Und auch seine oder ihre Freundinnen und Freunde können dazu kommen. Und danach deren Freunde …

User sollten sich also, wenn sie die App „Houseparty“ geöffnet haben, nicht anders als in der Öffentlichkeit benehmen. Zumal selbst in geschlossenen Chaträumen jeder Besucher Screenshots machen oder Teile des Chats mitfilmen kann. Die App hält sogar eine eigene Funktion dafür bereit – mit Persönlichem oder gar Intimem sollte man also sehr vorsichtig sein. Immerhin: Unerwünschte Kontakte lassen sich blockieren, und man kann auf Wunsch einstellen, wer sehen kann, wenn man online ist. Und beim Datenschutz versprechen die Eigentünmer zwar, keine persönlichen Daten an Dritte weiterzugeben. Die Gespräche laufen jedoch über Server in den USA und dürfen gemäß den Nutzungsbedingungen dort auch analysiert werden. So sollte sich niemand wundern, wenn ein im Video-Chat häufig genanntes Produkt danach auffällig oft im eigenen Facebook-Account beworben wird. In Sachen Datenschutz ist „Houseparty“ also nicht anders als andere beliebte Apps wie etwa TikTok, über dessen Sicherheit ebenfalls viel diskutiert wird.

Zusammensein, Spaßhaben, Herumblödeln

Aber Privatspäre ist ja gerade nicht das, was „Houseparty“ verspricht. Vielmehr ahmt das Programm digital das Herum­stehen auf dem Schulhof und vor dem ­Jugendtreff oder eine spontane WG-Party perfekt nach: Man schaut sich um, stellt sich irgendwo dazu, quatscht ein bisschen und latscht dann weiter – alles völlig zwanglos. Anders als auf Instagram oder Snapchat muss man keine ausgefeilten Inhalte posten, um damit möglichst viele „Likes“ einzusammeln. Es geht einfach um das Zusammensein, Spaßhaben und Herumblödeln.

Damit trifft die App „Houseparty“ den Nerv der jugendlichen Zielgruppe derzeit sehr genau. 60 Prozent der Nutzer sind laut Anbieter unter 24 Jahre alt. Viele Kids sind der ständigen Selbstinszenierung in coolen Fotos, witzigen Sprüchen oder Filmchen müde. Manche Internetanalysten feiern deshalb schon die Rückkehr der Authentizität für unsere Kindergenera­tion.

„Houseparty“ holt die jungen Leute bei ihrem ursprünglichsten Bedürfnis ab: Zusammensein in der Peergroup, am liebsten im realen Leben – das zeigen ­Studien immer wieder. Aber wenn das im durchge­takteten Alltag nicht möglich ist oder die Ausgangssperren wegen des Corona-Virus es nicht zulassen, dann kommt die „Houseparty“-App dem immerhin schon ziemlich nahe.

Ein Gewinner der Corona-Krise

Programmiert hat die App die Firma Life on Air, die in San Francisco und Tel Aviv sitzt. Sie hat bereits mit der Live-Video-App „Meerkat“ Furore gemacht, aber damit nicht die große Masse erreicht hat. Mit „Houseparty“ ist ihr das gelungen: Ein erstes Hoch hatte die App 2017, schon damals lag sie zeitweise auf Platz eins der US-Download-Charts.

Die Corona-Krise hat diesen Erfolg noch gesteigert: Kam die App im Februar 2020 noch auf 130.000 weltweite Downloads pro Woche, waren es Mitte März plötzlich zwei Millionen. Damit war „Houseparty“ zu dieser Zeit die mit Abstand am häufigsten heruntergeladene Videokonferenz-App – weit vor Cisco Webex, Zoom oder Skype. Freuen werden diese Zahlen vor allem die Firma Epic Games: Der Entwickler des extrem beliebten Samartphone-Spiels „Fortnite“ hat Life on Air samt der „Houseparty“-App 2019 gekauft. Das nennt man wohl Glücksgriff …



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