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„Unsere Kinder stehen halt auf Bildschirme“

Es ist 5. Klasse, und der Sohn hat keine Lust auf analoges Vokabeln Lernen? Gut, dann baue ich ihm dafür halt eine Website, dachte sich sein Vater Michael Karsten. Ein Gespräch über den Lernfrust nach Corona, Hausaufgabeneinsätze als Papa und die Vorzüge digitalen Lernens


Herr Karsten, Ihr Sohn ist jetzt in der 5. Klasse. Wie läuft es denn so in der Schule?

Sehr gut, das hatten wir gar nicht erwartet. Sein Jahrgang hat ja das ganze Corona-Chaos in der Grundschule mitgemacht, später hat dann seine Klassenlehrerin mitten im Schuljahr gekündigt und die Klasse war ein halbes Jahr führungslos. Das hat der Motivation meines Sohnes beim Lernen nicht gerade geholfen. Am Ende der Grundschulzeit waren meine Frau und ich uns einig, dass er besser nicht gleich aufs Gymnasium, sondern erstmal auf eine Stadtteilschule geht. Und das war der richtige Schritt: Er hat jetzt ein Zwischenzeugnis ohne Vierer, und vor allem macht ihm das Lernen Spaß.

Kompliment! Viele Kinder tun sich ja erst einmal schwer mit den höheren Anforderungen an der weiterführenden Schule.

Das haben wir schon auch gemerkt. Vor allem der Englischunterricht war deutlich ernsthafter als in der Grundschule. Zum Beispiel müssen die Kinder jetzt gewissenhaft die Vokabeln in ihr Vokabelheft schreiben und konsequent für Tests lernen. Mein Sohn hat von einem Mitschüler erzählt, der dafür einen Karteikasten benutzt und jedes Mal anderthalb Stunden und einen Krampf in den Fingern braucht, bis er die Vokabeln auf die Karten übertragen hat. Da dachte ich mir: Das muss doch einfacher gehen.

Und dann haben Sie für Ihren Sohn eine Vokabel-App programmiert.

Apps mit Abo fand ich nicht so sexy

Genau. Zuerst habe mir angesehen, welche Lösungen schon so angeboten werden. Es gibt viele Apps und Websites, die sogar die Inhalte der Schulbücher vorhalten, aber immer mit Abos arbeiten. Letztlich müssen Sie dann jedes Jahr wieder die neuen Inhalte kaufen, sonst bringt das Ganze nichts. Das fand ich nicht so sexy. Deswegen habe ich für meinen Sohn den SchulBro gebaut. Die Website benutzen inzwischen auch viele seiner Freunde.

Wie funktioniert das?

Das Kind trägt einfach die neuen Vokabeln und ihre Übersetzung auf der Website in ein Formularfeld ein. Das System speichert die Vokabeln dann in einer Datei auf dem Rechner des Kindes. Auf diese Weise verwendet die Website keine persönlichen Daten, alles bleibt auf dem eigenen Rechner. Später zieht man die Datei wieder auf die Website und lässt sich abfragen – und zwar so lange, bis alle Vokabeln sitzen. Wird eine Vokabel nicht gewusst, kommt sie bei der nächsten Runde gleich wieder dran. Ganz so wie beim klassischen Vokabelkasten, nur eben digital. Vor Kurzem habe ich auch noch eine Diktat-Funktion auf die Website gebracht, die funktioniert ganz ähnlich.

Michael Karsten
Ein Tausendsassa als Papa: Michael Karsten ist IT-Berater, Coach, Website-Betreiber – und vor allem Vater eines Fünftklässlers. Für ihn hat er die Lern-Website „SchulBro“ entwickelt. Jetzt freut er sich über weitere Nutzer und ihre Anregungen. Mehr zum SchulBro hier – und mehr zu Michael Karsten hier.

Schnell mal eine Website zu programmieren wäre nicht meine erste Idee gewesen. Vermutlich sind sie von Fach?

Ich bin selbstständig und unterstütze unter anderem kleine und mittlere Unternehmen bei ihren Internetauftritten. Außerdem arbeite ich als Coach und habe noch ein paar andere Projekte. Ich kann mir zum Glück meine Zeit sehr gut einteilen, im Gegensatz zu meiner Frau, die auch selbstständig ist und im Beruf viel mehr beansprucht ist als ich. Ich genieße das sehr, als Vater nah dran zu sein an der Entwicklung meines Sohnes, wir sind ein super Gespann.

Sitzen Sie beim Lernen viel dabei, oder machen Sie eher Rufbereitschaft?

Beim Vokabelnlernen muss ich jetzt erfreulicherweise überhaupt nicht mehr dabei sein. Mein Sohn hat von uns ein Einsteiger-Notebook bekommen und übt ziemlich autark. Seine Schule ist zum Glück sehr fortschrittlich und macht schon vieles digital, mit Tablets und Systemen wie Anton oder Bettermarks. Aber bei anderen Themen bin ich schon noch dabei. Neulich zum Beispiel sollten sich die Schüler in das Thema Kuhmägen einarbeiten. Das haben wir mit Erklärfilmen auf YouTube gemacht, und dann achte ich darauf, dass die Inhalte richtig und geeignet sind.

Digitales Lernen liegt Ihnen offenbar.

Mein Sohn hat keine Lust, Lernfelder auf Papier zu malen

Auf jeden Fall. Mein Sohn hat nicht so viel Lust, zur Vorbereitung auf die Schule irgendwelche Lernfelder auf DIN A4-Papierbögen zu malen. Das macht er lieber am Rechner. Im Moment bringt er sich sogar mithilfe der Website TypingClub das Zehn-Finger-Schreiben selbst bei, damit er die Diktate auf SchulBro schneller schreiben kann. Natürlich geht Lernen nicht nur digital, aber es erleichtert schon vieles.

Lenkt es Ihren Sohn nicht ab, wenn er vor seinem Laptop sitzt und  Internetzugang hat?

Dafür hat er ganz klare Regeln, und die akzeptiert er auch. Die wichtigsten Websites habe ich ihm als Lesezeichen gesetzt, und er nutzt als Browser Bing statt Google, weil dort die Jugendfilter schärfer sind. Über Microsoft Family kann ich jederzeit sehen, was er am Bildschirm gemacht hat, und da war bis jetzt nie etwas Auffälliges dabei. Wir haben ein großes Vertrauenverhältnis, und ich glaube, mein Sohn überlegt sich sehr genau, ob er das für ein paar Klicks im Netz aufs Spiel setzen möchte. Man muss allerdings dazu sagen, dass er noch andere Bildschirmzeiten hat, etwa für die Spielekonsole oder das Handy. Das kommt oben drauf.

Was würden Sie anderen Eltern raten, damit das Lernen entspannt funktioniert?

Als allererstes: den Druck rausnehmen. So wir wie es bei der Schulwahl getan haben. Und dann überlegen, ob nicht auch alternative Lernwege Sinn machen. Auf YouTube gibt es zum Beispiel den Lehrer Schmidt, der erklärt sensationell gut Mathe und Lerntipps. Man findet im Internet im Grunde zu jedem Thema eine Lernunterstützung, wenn man mal keine Lust hat, wieder Schulbücher zu wälzen. Machen wir uns nichts vor: Die Generation unserer Kinder steht nun mal auf Bildschirme. Und dann kann so etwas deutlich zur Lernmotivation beitragen.

Fotos: Freepik / Privat



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