Samstagabend: Ich liege – gequetscht – neben meiner Teenagertochter in der Sofaecke. Alle zwei Sekunden richtet sie ihr Kissen, schmeißt die Haare hin und her und wischt auf ihrem Smartphone rum. Zwischendurch blickt sie kurz auf und nörgelt über das laufende Fernsehprogramm. Öde! Wen interessiert die blöde Doku über die Ostfriesischen Inseln?
Einen halben Meter weiter belagert meine Jüngste meinen Mann und lässt sich von ihm den Rücken kraulen. Früher saß ich an ihrer Stelle und wurde von meinem Mann verwöhnt, und niemand saß nervös zuckend neben mir. Zwischen meinem Mann und mir gab es auch nie Diskussionen über das Fernsehprogramm.
Früher war um 20.15 Uhr Feierabend. Und heute?
Es gab sie, die Zeiten, in denen wir abends den Feierabend und Zeit zu zweit genießen konnten. Bei dem einen oder anderen Glas Wein flammte dabei sogar so etwas wie Romantik auf. Es waren die Zeiten, in denen meine Tochter nach dem Sandmännchen, im Schlafanzug und mit geputzten Zähnen, eine letzte Sendung im Kika anschauen durfte, „Wickie“ oder „Yakari“, was auch immer aktuell lief. Danach brachte ich sie ins Bett und las ihr noch eine halbe Stunde vor. Pünktlich zum 20.15-Uhr-Film fand mein Feierabend auf dem Sofa statt. Gelegentlich hörten wir sie in ihrem Zimmer rumkramen und heimlich die Nachttischlampe anknipsen, aber spätestens wenn wir ins Bett gingen, schlief sie friedlich.
Vom Kleinkind bis zum Teenie: alle Kinder haben müde Eltern
Heute verzieht sich meine Vierzehnjährige abends höchstens in ihr Zimmer, was nicht mit Schlafengehen gleichzusetzen ist. Sie muss noch an ihrem Referat arbeiten, das Geschichtsbuch suchen oder den Kleiderschrank für den nächsten Morgen von links auf rechts drehen. Endlich im Bett, wälzt sie sich lautstark hin und her, stattet der Toilette x-mal einen Besuch ab, holt sich noch schnell ein Glas Wasser aus der Küche und lässt Hörbücher in Endlosschleife laufen, weil sie nicht schlafen kann und wir es offenbar auch nicht sollen.
Zweisamkeit? Wer wird schon gern von der Teenie-Tochter erwischt …
Die Wände unseres Altbauhauses sind dünn, ihr Zimmer grenzt direkt an unser Schlafzimmer. Das hält uns Eltern nicht nur müde, sondern zuweilen auch von Zweisamkeiten ab. „Sie ist noch wach.“„Glaub ich nicht.“„Doch klar, ich höre doch, wie sie die Leselampe an- und ausknipst.“ Wer will schon gern von der eigenen Tochter erwischt werden? Wochentags kommt sie dann kaum aus dem Bett.
Eric Malpass behauptete 1967 in seinem gleichnamig erschienenen Buch „morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung“, aber auf uns trifft diese Aussage definitiv nicht zu! Morgens um sieben ist bei uns nämlich noch gar nichts in Ordnung! An manchen Tagen wirft meine Tochter morgens, mit der Zahnbürste im Mund, innerhalb von sieben Minuten ihre Klamotten über und läuft anschließend laut fluchend und schlecht gelaunt aus dem Haus.
Mit kleinen Kinder gibt es weniger Schlaf. Aber mehr Privatsphäre
Um die stressige Schulwoche auszugleichen, muss sie am Wochenende erst einmal ausgiebig ausschlafen, gern bis mittags. Den Traum von fröhlichen, mit dem Geschirr klappernden Kindern, die eigenständig beim Bäcker Brötchen holen und das Sonntagsfrühstück vorbereiten, haben wir schon lange aufgegeben. Genauso wie die Illusion, morgens als Paar das nachzuholen, was abends nicht möglich war. Es gibt noch ein zweites Kind im Haus, und das schläft gewöhnlich nicht ganz so lang wie die große Schwester. Das alles erzähle ich meiner Freundin bei einem Glas Hugo. „Als die Kinder kleiner waren, war es einfacher. Jetzt haben wir keine Privatsphäre mehr.“
Meine Freundin, deren Töchter ein paar Jahre älter sind als meine, bekundet so überhaupt kein Mitleid mit mir: „Du kannst froh sein, wenn du weißt, dass deine Mädchen mit ihrem Hintern im Bett liegen. Wenn die in ein paar Jahren auf Tour gehen, wirst du überhaupt keinen Schlaf mehr finden. Dann liegst du die ganze Nacht wach, starrst dein Handy an und hoffst, dass sich endlich das Schloss in der Haustür umdreht. Oder du spielst nachts Taxi und gurkst durch die halbe City, um sie irgendwo aufzugabeln.“ Und dann erhalte ich einen Vorgeschmack auf das, was wahrscheinlich in wenigen Jahren auf mich zukommen wird. Sie erzählt von leeren Handy-Akkus, verpassten Bahnen, vergessener Zeit und dem Kopfkino, das dann unweigerlich in einem Mutterkopf abläuft. Nein, es wird tatsächlich nicht besser!
Kinder haben serienmäßig eine Schlafstörungsfunktion
Wenn man ehrlich ist, war es das auch nie! Kinder kommen schon serienmäßig mit einer Schlafstörungsfunktion ausgestattet auf die Welt. Meist aktiviert sich diese Funktion schon während der Schwangerschaft, wenn nächtliches Sodbrennen und permanenter Harndrang die Nachtruhe behindern. Sind sie dann auf der Welt, irrt Frau die ersten Monate zombiemäßig durch den Tag und versucht zwischen Füttern, Wickeln, Trösten und wieder Füttern ein paar zusammenhängende Minuten Schlaf einzuschieben. Wer da noch Lust auf erotische Abenteuer verspürt, ist dringend preisverdächtig.
Krank werden Kinder in jedem Alter. Und auch die Älteren möchten angemessen bemuttert werden
Irgendwann schlafen sie dann aber durch, meine Mädchen sogar ganz vorbildlich. Doch wer früh ins Bett geht und durchschläft, der ist morgens dafür umso fitter. Und so hieß es manchmal im Morgengrauen die Beine aus dem Bett schwingen, Frühstück machen und anschließend auf dem Kinderzimmerfußboden zwischen Duplo-Steinen und Stofftieren noch ein wenig weiterschlafen, weil das Töchterchen großen Wert auf Gesellschaft legte. On top kommen die nächtlichen kindlichen Albträume und die gefühlten hundert Infekte im Jahr während der Kleinkind- und Kindergartenzeit. Man steht nachts auf, misst Fieber, wechselt klatschnass geschwitzte Schlafanzüge, schmiert die Kinderbrust mit Erkältungsbalsam ein, hängt feuchte Handtücher im Kinderzimmer auf, um den Husten zu lindern und weil man bei der Nonstop-Bellerei sowieso nicht schlafen kann.
Selbst ältere Schulkinder möchten angemessen bemuttert werden, wenn sie krank sind. Letztes Jahr hat sich meine jüngere Tochter, bevor ich zu einem Wochenendtrip aufbrechen wollte, die ganze Nacht übergeben. Zwischen Eimerhalten und Bettenbeziehen war keine einzige volle Stunde Schlaf für mich drin, und so saß ich am nächsten Morgen mit Streichhölzern zwischen den Augenlidern im Zug. Der Beginn eines entspannten Kurzurlaubs sieht anders aus!
Werde ich die Ruhe überhaupt wollen?
Ungestörte Abende und Nächte werden wohl wirklich erst dauerhaft wieder möglich werden, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Aber will ich diese Ruhe überhaupt? Ohne das nachts über den Flur gerufene „Mama“. Die Klospülung. Das leise nächtliche Kinderfußgetrappel auf unserem Holzboden. Den warmen kleinen Körper, der sich dann unter meine Bettdecke schiebt. Die endlos lange Harry-Potter-Hörbuch-CD, die die halbe Nacht läuft.
Schlafstörungen gehören zum Elternsein einfach dazu. Schon in der Pharmazie heißt es: keine Wirkung ohne Nebenwirkung. In diesem Falle: kein Kindersegen ohne Verlust von Zweisamkeit und Schlaf. Gelegentlich, wenn meine Töchter in der Schule sind, kommt mein Mann zum Frühstück nach Hause. Und dann ist es völlig egal, wie dünn die Wände in unserem alten Haus sind. Not macht bekanntlich erfinderisch. Auch so ein wahrer Spruch.
Müde Eltern: Ist der Teenie endlich im Bett? Foto: Kinga Cichewicz on Unsplash