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Nein, die „Generation Z“ ist nicht faul

Jedenfalls ist sie auch nicht fauler als ihre Eltern. Warum der Hype um die Generation Z und ihre Vorgänger auf zwei fundamentalen Irrümern beruht – die ganz grundsätzliche Fragen aufwerfen


Wissenschaft kann ziemlich enttäuschend sein. Da hat man eine schöne Theorie, die vieles erklären würde. Sie klingt plausibel und deckt sich mit den eigenen Beobachtungen. Alle sind davon begeistert. Und dann kommt so ein Spielverderber, rechnet nach und sagt: Sorry, aber da ist nix dran.

Martin Schröder ist so ein Spielverderber. Der Professor für Soziologie an der Universität des Saarlandes hat sich eine derzeit besonders gern diskutierte These vorgenommen: Die jungen Leute von heute seien arbeitsfaul, aber anspruchsvoll. Besonders gelte das für die so genannte „Generation Z“, also die nach dem Jahr 2000 Geborenen. Ihnen sei Arbeit nicht mehr wichtig, statt dessen wollten sie mehr Freizeit, um die Welt zu sehen oder sich gesellschaftlich zu engagieren. Stimmt das?

Um diese Frage zu beantworten, hat Schröder hunderttausende Datensätze analysiert. Sie stammen zum einen aus dem „Sozio-oekonomischen Panel“, in dessen Rahmen seit 1984 insgesamt 30.000 Deutsche in 15.000 Haushalten immer wieder befragt werden. Für seine jüngste Publikation hat Schröder zum anderen die Integrated Values Surveys verarbeitet, zwei ähnliche, internationale Langzeitstudien. In all diesen Befragungen ging es unter anderem um die persönliche Einstellung zur Arbeit, um wirtschaftliche Sorgen und um die Bedeutung von Freizeit, Familie und gesellschaftlichem Engagement.

Die faule Generation Z ist ein Mythos

Und, sind die jungen Leute nun arbeitsfauler als früher? Die Antwort: Ja – allerdings nicht nur sie. „Uns allen ist heute die Arbeit nicht mehr ganz so wichtig wie der Gesellschaft vor 50 Jahren, egal, ob wir 15 oder 50 sind“, sagt Martin Schröder. Er sieht darin einen von zwei Denkfehlern, an denen die Generation-XYZ-Theorien leiden: Sie übersehen, dass sich mit der Zeit die Einstellung unserer ganzen Gesellschaft zu den genannten Themen verändert.

Besonders deutlich wird dieser so genannte Periodeneffekt zum Beispiel bei der Sorge um die Folgen des Klimawandels. Als die 68er jung waren, hat das Thema kaum jemanden interessiert. Die heute 20-Jährigen hingegen machen sich deswegen große Sorgen – kein Wunder, schließlich sind die Gefahren des Klimawandels in der Zwischenzeit deutlich größer geworden. Schaut man nur von Generation zu Generation, scheinen die Klimasorgen also zugenommen zu haben. Rechnet man jedoch den Periodeneffekt heraus und betrachtet, wie die Menschen allgemein heute zu dem Thema stehen, ergibt sich ein ganz anderes Bild: Da sind die 68er sogar besorgter als die Generation Z.

Wirklich bedeutsam sind Perioden- und Alterseffekte

Auch der zweite Denkfehler hat mit dem Faktor Zeit zu tun – und zwar mit dem Lebensalter: Junge Leute waren schon immer weniger arbeitsfreudig als Menschen mittleren Alters. Das könnte als Binsenweisheit durchgehen, welcher 18-Jährige ohne FDP-Hintergrund setzt sich schon mit Begeisterung in abendliche Firmenmeetings? Aber laut Soziologe Schröder spiegelt sich das auch ganz wissenschaftlich in den Daten der großen Umfragen wider. Daher ergibt es wenig Sinn, die Arbeitseinstellung heute 20-Jähriger mit der von heute 50-Jährigen zu vergleichen: „Es kommt darauf an, in welchem Lebensabschnitt sie nach ihrer Leistungsbereitschaft und ihrer Einstellung zur Arbeit gefragt werden“, so Schröder.

Wenn man auch diesen Alterseffekt noch berücksichtigt, bleibt von den vermeintlichen Unterschieden zwischen den Generationen kaum noch etwas übrig. Die Boomer haben in ihren 20ern auch lieber Party gemacht, die Generation X sitzt heute in Meetings statt im Golf GTI, und wir alle hätten am liebsten mehr Zeit am Strand. „Nicht die Generationenzugehörigkeit erklärt unser Denken, sondern der Zeitpunkt in unserem Leben, an dem wir nach unserer Einstellung gefragt werden“, sagt der Soziologe.

Womöglich gibt es die Generation Z gar nicht. Und die anderen davor auch nicht

Da ist er also, der wissenschaftliche Spielverderber Schröder: „Ich habe nichts gefunden, was darauf hindeutet, dass die Einstellung zu Arbeit und Beruf tatsächlich mit dem Geburtsjahr zusammenhängt“, sagt er. Womöglich gibt es die faule Generation Z in diesem Zusammenhang also gar nicht. Und Y und X vorher auch nicht. Ebenso wenig wie die Boomer. Noch schlimmer: Auch andere Forschende bezweifeln, dass die Einteilung von Geburtsjahrgängen in Generationen mit ähnlichen Eigenschaften überhaupt soziologisch sinnvoll ist.

Allerdings findet Martin Schröder durchaus einige Unterschiede zwischen den Alterskohorten, wie er in seinem Blog beschreibt. Der Erfolg im Beruf wird weniger wichtig, die heutigen jungen Leute engagieren sich wieder mehr gesellschaftlich, und sie reisen gern. Aber die Unterschiede zu vorherigen Jahrgängen sind klein, und die Tendenz ist nicht einheitlich. Zu wenig jedenfalls für ein Generationenklischee, das die einen zu familienfremden Arbeitstieren erklärt und die anderen zu arbeitsscheuem Partyvolk.

Eine bessere Verhandlungsposition, die hat die Generation Z

Und was bleibt dann von all den Beobachtungen über anspruchsvolle Berufseinsteiger, über deren Forderungen nach hohen Gehältern, Vier-Tage-Woche und Homeoffice? Ist das alles nur eingebildet? Vermutlich nicht. Aber auch hier ist die Zeit ein Faktor: Denn wann hatten Deutschlands Firmen zuletzt so einen Arbeitskräftemangel? Wann konnten sich Bewerbende ihre Stelle so bequem aussuchen? Natürlich fällt es leichter, eine jugendliche Arbeitshaltung zu vertreten, wenn man weiß, dass man auf jeden Fall gebraucht wird.

Und so haben die 20-Jährigen heute möglicherweise einfach eine bessere Verhandlungsposition als die meisten ihrer Altersvorgänger. Vielleicht sind die Älteren auch neidisch darauf? Nun ja, wie es aussieht, könnten die rosigen Bewerbermarkt-Zeiten bald wieder vorbei sein. Und dann? Sitzt irgendwann die Generation Z in den Meetings und schimpft über das faule Jungvolk.

Bedienen kann sie sich dabei an einer Keilschrift aus der Bronzezeit. Darauf steht angeblich: „Unsere Jugend ist heruntergekommen und zuchtlos. Die jungen Leute hören nicht mehr auf ihre Eltern. Das Ende der Welt ist nahe.“ Das war vor 4000 Jahren.

Nein, die „Generation Z“ ist nicht faul – Foto: frimufilms auf Freepik



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