Wie Kinder selbstständig lernen lernen – Magazin SCHULE
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Wie Kinder selbstständig lernen lernen

In der Pandemie sind viele Eltern unfreiwillig zu Hilfslehrkräften geworden. Doch wer zu viel Hilfe beim Lernen bekommt, wird nicht eigenständig arbeiten können. Wie Kinder selbstständig lernen lernen, zeigt der 7-Punkte-Plan von Magazin SCHULE


Wenn unser Nachwuchs laufen lernt, bieten wir ihm die Hand, aber wir tragen ihn nicht. Ähnlich ist es in der Schule: Wenn Kinder selbstständig lernen lernen, begleiten wir sie auf den ersten Schritten noch – danach sollten sie immer mehr allein schaffen. Denn nur selbst erarbeitete Erfolge motivieren uns zu höheren Leistungen.

Auch wenn Kinder in der Schule vor Herausforderungen stehen, dürfen sich Eltern ruhig im Hintergrund halten. Von dort aus können sie den Rahmen gestalten, in dem die Schülerin oder der Schüler lernt, selbstständig zu lernen.

Dabei hilft eine Strategie aus diesen sieben Schritten:

 

1 Eine gute Atmosphäre schaffen

Eigentlich ist es logisch: Wo wir uns wohl fühlen, arbeiten wir auch gern. Deshalb ist es hilfreich, Kindern eine angenehme Atmosphäre fürs Arbeiten zu Hause zu schaffen.

Lerntherapeuten haben jedoch Hunderte Mütter und Väter während des Lernens mit ihren Kindern mit der Videokamera beobachtet und dabei eine Gemeinsamkeit festgestellt: Die Gesichter der Eltern sind fast immer ernst, ihr Ausdruck weniger herzlich als üblich, die Stimme bekommt einen härteren Ton, sie wird „dienstlich“. Gerade für jüngere Kinder, die das Lernen für die Schule erst noch erlernen, schafft das eine ungünstige, das abschreckende Atmosphäre. So verbinden sie die Schule von Anfang an mit negativen Gefühlen.

Vertrauen statt Kontrolle – Gratis-Broschüre des Studienkreises
Raus aus der Helikopter-Falle! Seit der Corona-Pandemie haben viele Kinder weniger Freiheiten, und die Eltern finden sich plötzlich als Hilfslehrer wieder. Doch zu viel Unterstützung kann auch schaden. Welches Maß ist sinnvoll? Und wie lernen Kinder und Jugendliche, selbstständig zu lernen? Diese und andere Fragen beantwortet die Gratis-Broschüre „Vertrauen statt Kontrolle“ des Nachhilfeanbieters Studienkreis.

Das ist übrigens etwas, das viele der so oft gescholtenen Helikoptermütter besser machen: Sie schaffen einen gemütlichen Rahmen, kochen vielleicht einen Kakao und setzen ihr freundlichstes Sonntagsgesicht auf. Das Smartphone wird stumm geschaltet und liegt am besten im Flur. Indem sie sich bewusst entspannen und ihren Kindern eine „gute Beziehung“ anbieten, wie Experten das nennen, machen sie alles richtig.

Wichtig ist allerdings, dass sich die Eltern danach immer mehr zurückziehen und nicht ständig neben dem Kind sitzen. Auch ältere Kinder freuen sich noch, wenn ihnen ein Kakao durch die Tür gereicht wird – ihre Hausaufgaben sollten sie aber allein erledigen.

Trotzdem können Eltern auch die Größeren noch unterstützen: Etwa indem sie mit ihnen den Arbeitsplatz einrichten oder Lerntechniken einüben. Wichtig ist es auch, ihnen Zeit fürs Lernen zu geben. Wenn Eltern sehen, dass der Sohn oder die Tochter nicht rechtzeitig fertig wird, planen sie nach Möglichkeit Termine um oder sagen sie ab. So erfährt das Kind, dass die Arbeit für die Schule oberste Priorität hat – und wird das im günstigen Fall auch für sich selbst so sehen.

 

2 Durch Loben motivieren

Doch was tun, wenn das Ergebnis falsch ist? Trotzdem loben – vorausgesetzt, das Kind hat sich angestrengt. Zum Beispiel so: „Super, heute hast du es aber lange geschafft, ruhig am Tisch zu sitzen.“

Über ein Lob freuen wir uns alle. Selbst jene, die von sich sehr eingenommen sind, werden fröhlicher, sobald man ihre Arbeit wertschätzt. Kinder, die sich mit dem Lernen besonders schwertun, müssen selbst für Minimalleistungen gewürdigt werden („Toll, du hast dir vier Vokabeln richtig gemerkt!“). Auch motiviert es Kinder schon viel, wenn die Eltern sich Zeit nehmen und echtes Interesse an ihren Aufgaben und Arbeiten zeigen.

Beim Lernen sollten allerdings vor allem Anstrengung und Ausdauer gewürdigt werden. Das sind die beiden Dinge, die jedes Kind beeinflussen kann und die sich auf Dauer immer auszahlen. Wer hingegen nur für eine richtige Antwort gelobt wird, folgert daraus, dass nur das korrekte Ergebnis zählt, nicht aber die Bereitschaft, sich anzustrengen.

 

3 Erfolge ermöglichen

Simpler Trick: Aufgaben so auswählen, dass sie ein Kind erfolgreich bewältigen kann. Denn der häufigste Grund für Motivationsprobleme von Schülerinnen und Schülern ist, dass sie zu oft an zu schwierigen Aufgaben sitzen.

Lernen in der Corona-Krise
Wer zu oft ratlos vor einer Aufgabe sitzt, verliert die Motivation. Deshalb sollten Übungen machbar sein

Ja, aus Fehlern kann man lernen. Trotzdem sind sie fürs Lernen auch gefährlich. Wer zu viele Fehler macht, verliert die Lust und versucht, das Ganze schnell hinter sich zu bringen. Kinder, die den Mut sehr schnell verlieren, empfinden womöglich bereits Aufgaben als zu schwer, bei denen sie eine akzeptable Fehlerquote von lediglich fünf Prozent haben. So sind sie bald frustriert und lassen sich lieber von anderen Dingen ablenken, als ihre Hausaufgaben weiter zu machen.

Eigentlich sollte es kein Problem sein, dass Kinder gemäß ihres persönlichen Leistungsvermögens unterschiedlich schwere Aufgaben lösen. So genannter individualisierter Unterricht ist seit vielen Jahren ein Ziel an den Schulen. In der Praxis bekommen jedoch meist sämtliche Schülerinnen und Schüler dieselben Aufgaben. Sind die Hausaufgaben zu schwer, müssen also die Eltern helfen – und zwar am besten, indem sie einen oder mehrere Lernschritte zurückgehen.

 

Ein Beispiel:

Marie soll in ihrer ersten Mathe-Hausaufgabe nach den Sommerferien Divisionsaufgaben mit Rest lösen.

38:6 = 6 Rest 2

Diese Herausforderung kann die Achtjährige ohne Hilfe der Mutter nicht bewältigen. Schon einfache Geteilt-Aufgaben ohne Rest fallen ihr schwer. Die Mutter wiederholt nun mit ihrer Tochter erst einmal das kleine Einmaleins:

4 ⋅ 4=?     5 ⋅ 5=?     6 ⋅ 6=?

Als das wieder klappt, erklärt sie Marie noch mal das Prinzip der Division (umgekehrte Malaufgaben) und stellt einfache Divisionsaufgaben ohne Rest:

36:6 = 6

Nachdem Lotte die Aufgaben gut geschafft hat, ist sie motiviert genug, auch die schwierigeren Aufgaben mit Rest lösen.

 

4 Kinder zum selbstständigen Lernen anleiten

Hilf deinem Kind so viel wie nötig – aber so wenig wie möglich. Der Grundsatz sollte sein: Es ist immer besser, wenn das Kind selbst eine Lösung findet.

Manchen Kindern fällt das schulische Lernen leichter, anderen schwerer. Was aber für fast alle gilt: Je mehr die Eltern ihnen abnehmen, umso weniger machen sie selbst. Deswegen sollten Eltern sich mit ihrer Unterstützung darauf konzentrieren, ihrem Kind beizubringen, wie es sich selbst helfen kann.

Das bedeutet vor allem: Wenn das Kind eine Aufgabe nicht versteht oder eine Frage hat, bekommt es die Lösung nicht auf dem Silbertablett serviert. Stattdessen lässt sich Papa oder Mama genau erklären, was es nicht versteht und wo und wie es schon nach einer Lösung gesucht hat. Oft liegt in dieser Erklärung schon der Schlüssel zur Antwort, und die Eltern müssen kaum noch eingreifen. Der Vorteil: In diesem Fall hat das Kind zu Recht den Eindruck, die Aufgabe selbst gelöst zu haben – und das motiviert! Kommt der Sohn oder die Tochter trotzdem noch nicht auf eine Lösung, ist die nächste Überlegung, wo er oder sie im Schulbuch oder Internet suchen kann.

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Ansprechbar sein, aber dem Kind die Arbeit nicht abnehmen: So funktioniert sinnvolle Lernunterstützung

EXTRA-TIPP:

Braucht das Kind Hilfe, geht man am besten immer gleich vor: Erst zeigt das Kind, was es schon selbst kann und versucht hat. Nur wenn es ein Hindernis nicht überwinden kann, zeigt Mama oder Papa, wie es geht. Je weniger Lösungen Eltern vorgeben, umso besser: Auf diese Weise erweitern Kinder nach und nach ihre Lernkompetenz und erfahren, dass sie sich selbst helfen können.

 

5 Fehler und Rückschläge aushalten

Das A und O der Lernbegleitung: Fehler nicht kritisieren! Hilfreicher als ein „Nun reiß dich endlich mal zusammen!“ sind aufmunternde Worte wie „Schauen wir uns das noch mal ganz in Ruhe an!“.

Diese Situation kennen alle von uns: Das Kind kann eine hundertmal geübte Sache immer noch nicht. Den Eltern entfährt ein Stöhnen, sie rollen mit den Augen und kommentieren streng: „Jetzt kannst du das Einmaleins ja immer noch nicht!“ Oder: „Wie oft hab ich dir schon gesagt, die unregelmäßigen Verben müssen sitzen!“ Wie ein zu früh aus dem Ofen geholtes Soufflé sinkt das Kind zusammen. Es schlägt die Augen nieder, sagt gar nichts mehr oder bringt die einfachsten Sachen nicht mehr hin. Was ist hier passiert?

Bestrafen macht alles nur noch schlimmer. Schon eine hochgezogene Augenbraue, hängende Mundwinkel oder ein trauriger Blick setzen vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler schnell unter Druck. Sie haben den Eindruck: Wenn ich Fehler mache, mag Mama oder Papa mich nicht mehr. Manche entwickeln Versagensängste, und die sind ein schlechter Lernbegleiter. Denn: Wer sich fürchtet, blockiert irgendwann – und bringt noch schlechtere Leistungen.

Deshalb sollten Eltern sich den Ärger über falsche Antworten nicht anmerken lassen. Fehler und Frustration gehören zum Lernen dazu, daran sollten wir uns selbst immer wieder erinnern und es auch unseren Kindern vermitteln. Ein paar schlechte Noten zwischendurch sind kein Problem, und wenn es zu viele werden, kann man sich jederzeit Hilfe holen. Die besten Abschlüsse haben oft diejenigen Schülerinnen und Schüler, die zuvor mit Rückschlägen umzugehen gelernt haben.

 

6 Mäßig, aber regelmäßig üben

Eltern kennen das von sich selbst: Viele Menschen sind Saisonarbeiter. Nach Klassenarbeiten neigen viele Kinder dazu, erst einmal durchzuschnaufen – doch dann müssen sie vor der nächsten Arbeit viel Stoff aufholen. Besser ist es, kontinuierlich zu üben.

Oftmals reichen fünf Minuten: Die aktuellen Vokabeln abfragen plus ein paar bereits gelernte wiederholen – das war’s schon. Genauso funktioniert das mit dem kleinen Einmaleins, mit unregelmäßigen Verben, mit den Phasen der Zellteilung. Wegen der kleinen Portionen fällt es leichter, sich zum Üben zu überwinden. Und durch das ständige Training wird der Lernstoff schließlich im Langzeitgedächtnis sicher abgelegt. Das Kurzzeitgedächtnis, der sogenannte Arbeitsspeicher, wird auf diesem Wege entlastet und steht für schwierigere Verständnisaufgaben zur Verfügung.

Eltern können ihre Kinder beim selbstständig lernen Lernen unterstützen, indem sie das tägliche Üben als Routine einführen und sie anhalten, dranzubleiben. Das ist erst einmal lästig und erfordert auch von den Erwachsenen Disziplin, die sich aber auszahlt: Nach einer Weile werden die kleinen Lernportionen selbstverständlich und erfordern nicht mehr ständig Überwindung.

EXTRA-TIPP:

Lern-Routinen funktionieren am besten, wenn sie an einem bestimmten Punkt im Tagesablauf fest verankert sind. Das kann nach dem Heimkommen sein, vor dem Abendessen oder bei den Größeren auch danach.

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7 Wenn nötig, unbedingt Grenzen setzen

Klare Regeln statt Dauermeckern: Am Ende müssen sich Eltern durchsetzen.

Diskussionen darüber, ob, wann und wie lange gelernt wird, kosten Zeit und Nerven. Oft sind sie anstrengender als das Lernpensum selbst. Wenn Kinder schlaff und unlustig auf dem Stuhl sitzen und ihre Eltern vielleicht sogar anmotzen, muss das Signal lauten: „So nicht!“. Jüngere Kinder beeindruckt es oft schon, wenn die Mutter oder der Vater einfach aus dem Zimmer geht, statt um Aufmerksamkeit zu betteln.

Wenn sich ein älteres Kind unkooperativ verhält, werden ihm Eltern notfalls etwas verwehren müssen, was es gern tut („Wenn du jetzt nicht mit mir lernst, darfst du später nicht ins Internet.“). Sobald das Kind mitmacht, muss die Stimmung aber wieder umschlagen. Ohne Harmonie funktioniert das gemeinsame Lernen nicht.

 

„Wie Kinder selbstständig lernen lernen“ – Aufmacherbild: Markus Trier/Pixabay



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