Kennen & Können

„Sorry, ich hatte Gegenwind!“

Nichts scheint für manche Schüler schwieriger zu sein als Pünktlichkeit. Was können Eltern dagegen tun? Und was müssen die Kinder selbst regeln?


Am Wecker lag es nicht, der hat wie immer rechtzeitig geklingelt. Doch schon am Frühstückstisch ist das Kind spät dran, dann kippt noch die Milch um, und ach ja, Mama, das hier musst du noch unterschreiben … Wenig später beginnt der Schulweg mit einem Sprint zur Bushaltestelle.

Wer ständig spät dran ist, nervt –sich selbst, wenn er wieder irgendwohin hetzt, erst auf den letzten Drücker für die Klassenarbeit lernt oder die Deadline für die Facharbeit nur noch mit Nachtschicht schafft. Doch auch die Menschen im Umfeld sind wenig begeistert, wenn sie ständig warten müssen – oder die Nachzügler den bereits begonnenen Unterricht stören.

„Ein besserer Zeitplan nützt bei notorischen Zuspätkommern allerdings nichts“, sagt Deutschlands führender Zeitmanagement-Experte und Bestsellerautor Lothar Seiwert. „Denn sie können ja pünktlich sein, wenn sie wollen; zum Beispiel der ewig unpünktliche Teenager, der beim ersten Date mit einem Mädchen zu früh am verabredeten Ort erscheint.“

Pünktlichkeit ist auch Einstellungssache

Pünktlichkeit hängt von der Wertschätzung ab, die man einer Person oder einer Situation beimisst. Zeit-Coach Seiwert ist überzeugt, dass fehlende Motivation zumeist mit ausschlaggebend ist, wenn manche Schüler unerlaubt flexible Schulanfangszeiten für sich beanspruchen. Ausflüchte wie „In den ersten fünf Minuten verpasst man doch eh nichts“ sprechen Bände.

Tipps für mehr Pünktlichkeit

Ein realistischer Zeitplan, der auch eingehalten werden kann, ist die wichtigste Voraussetzung, um rechtzeitig dran zu sein. Ein Kind kann nicht in fünf Minuten den Schulranzen packen und entspannt drei Straßen weiter an der Bushaltestelle ankommen. Besprechen Sie, was man ändern kann.

  • Puffer schaffen:

    Sucht Ihr Kind jeden Morgen nach dem Schal, dem Matheheft oder dem Bus­ticket? Helfen Sie ihm, Zeit für die täglichen Unwägbarkeiten einzuplanen. Ein Zeitpuffer entstresst die morgendliche Aufbruchstimmung für die ganze Familie.

  • Entlarven Sie Zeitdiebe,

    um mehr Raum für die wirklich wichtigen Dinge zu haben, die Spaß machen. Zum Beispiel lieber mit Freunden ins Kino gehen, als zu Hause vor dem Fernseher rumzuhängen, ohne dass es interessiert, was läuft. Wer weiß, was ihn aufhält, kann Abhilfe schaffen.

  • Prioritäten setzen:

    Helfen Sie Ihrem Kind, seinen Tag zu strukturieren und zu entscheiden, was wirklich wichtig ist und wann was getan werden kann. Welche Aufgaben sind für die Schule zu erledigen? Welche Aktivitäten wie Sport oder Freunde treffen sind nachmittags geplant? Das Frühstück ist der ideale Zeitpunkt für die Tagesplanung.

  • Ziele haben:

    Wer weiß, warum er etwas tut, ist motiviert und hat mehr Energie, auch schwierige Hürden zu meistern. Langfristige Ziele erreicht man am besten, wenn man den Weg dorthin in kleine Etappen unterteilt.

  • Team-Player

    werden und gemeinsam Regeln aufstellen: Wie beim Fußball oder anderen Mannschaftssportarten funktioniert auch das Familienleben stressfreier, wenn sich jeder an die vereinbarten Grundsätze hält.

  • Konsequenzen tragen:

    Wenn nichts gegen Unpünktlichkeit hilft, sammelt man Strafpunkte. Oder es wird wie im Fußball eine Gelbe oder Rote Karte gezeigt. Darauf kann es eine Handy­sperre oder Playstation-Entzug geben. Legen Sie vorher mit dem Kind fest, welche Sanktionen folgen, falls es die Regeln nicht einhält.

„Der wichtigste Grundsatz lautet: Man beginnt, wann es vorgesehen ist“, betont Seiwert, der auch Unternehmen berät. Sonst würden die Pünktlichen mit Warten bestraft. Im Gegenzug belohnt man die Unpünktlichen und bestärkt sie so in ihrem Verhalten. Die Folge: Selbst ehemals Pünktliche könnten zu dem Schluss kommen, das nächste Mal von vornherein eine Viertelstunde später aufzutauchen. „Für die Abfahrt des Busses bei einer Klassenfahrt am frühen Morgen bedeutet das: Wer nicht rechtzeitig da ist, fährt nicht mit.“

Getrödelt, Bus verpasst, Pech gehabt?

Ist diese Strenge wirklich der richtige Weg? Wäre es nicht besser, das Kind doch schnell mit dem Auto zur Schule zu bringen, damit es nicht auch noch den Unterricht verpasst? Wird eine Klassenarbeit geschrieben, ist es vermutlich von Vorteil, wenn der Schüler pünktlich erscheint. „Kommen solche Ausnahmen aber öfter vor, lernt das Kind, dass es so bequemer ankommt als mit dem Bus. Warum ihn also nicht öfter verpassen? Vor allem, wenn außer ein paar deutlichen Worten von Lehrern oder Eltern nichts passiert“, gibt Seiwert zu bedenken.

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Für Kinder ab neun Jahren: „Zeitmanagement für Kids – fit in 30 Minuten“ von Lothar Seiwert und Dirk Konnertz, Gabal, 6,90 Euro

„Stellen Sie in der Familie klare Regeln auf, wenn sich ein schludriger Umgang mit der Pünktlichkeit einbürgert“, empfiehlt der Experte. Was passiert, wenn diese Regeln gebrochen werden, sollte man vorab gemeinsam festlegen. Oder Sie lassen den Nachwuchs selbst einen Entwurf machen, wie Richtlinien und Sanktionen aussehen könnten: „Kinder sind oft kreativer und strenger als ihre Eltern“, glaubt Seiwert. Transparente Regeln und Strafen sind seiner Meinung nach „fair, nicht autoritär“. Allerdings müssen sich dann auch die Eltern an die Pünktlichkeitsordnung halten.

Für chronische Zuspätkommer ist das nicht einfach

Manche Schüler lassen sich leicht ablenken und müssen zum Beispiel immer „nur noch kurz auf eine WhatsApp antworten“, bevor es losgeht. Andere schieben Unangenehmes so lange auf, bis die Zeit knapp wird. In einem bestimmten Alter wird Pünktlichkeit auch gern als uncoole Haltung unentspannter Spießer gesehen. Terminchaoten versuchen mit Ansagen wie „Unter Zeitdruck bekomme ich am meisten geregelt“, ihr unkoordiniertes Arbeiten zu entschuldigen oder mit einem resignierten „Ich bin halt so“ Sympathien zu gewinnen.

„Alles nur Ausreden“, entlarvt sie Experte Seiwert. „Jeder hat die ­Chance, sich zu ver­ändern. Nur fällt es manchen schwerer als anderen.“



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