Wundern & Wissen

Online-Nachhilfe

Klick dich schlau: Online-Nachhilfe erfreut sich wachsender Beliebtheit. Wer davon genauso profitieren will wie von klassischem Extraunterricht, muss aber Selbstständigkeit und Motivation mitbringen


Außerirdische Awaner sind von zähem Verwirrschleim zu befreien, wenn Grundschüler mit den virtuellen Zwillingen Lisa und Luis per Raumschiff durch die interaktiven Planetenwelten der Nachhilfeplattform Scoyo sausen. Ihre Mission lässt sich weder über hektisches Hin- und Herreißen eines Joysticks noch über wildes Gestikulieren wie bei Nintendos Verkaufsschlager Wii erfüllen. Stattdessen ist bei den bunten Lernspielen der Online-Nachhilfe Köpfchen gefragt: Die User lösen Aufgaben in ihrem Problemfach und heimsen so nötige Punkte ein, um sich ins nächste Level zu katapultieren.

Ob den grauen Zellen nun über Online-Games wie bei Scoyo, Videochats wie beim Studienkreis oder Lehrvideos wie bei Sofatutor auf die Sprünge geholfen wird – Web-Nachhilfe setzt bei Schülern wie Eltern Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Medien und Technikkompetenz voraus. Wer ein leistungsstarkes Internet besitzt, der Maus feinmotorisch gewachsen ist sowie keinerlei Berührungsängste im Umgang mit Skype, Etherpad, Twiddla, Headset, Webcam und Grafik-Tablet verspürt, kann loslegen. Das gesamte Equipment kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn Nachhilfelehrer und Schüler über den Bildschirm interagieren. Die Nutzen liegen auf der Hand: Distanzen werden überbrückt, lästige Fahrtwege sind passé, und die Terminwahl ist flexibel. Sind Nachhilfelehrer vor Ort rar gesät, stellt dieser Weg eine ernst zu nehmende Alternative dar.

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Nachhilfe on demand: Manche Anbieter leisten bei Problemen mit den Hausaufgaben auch Soforthilfe. Der Einzelunterricht per Webcam gehört zu den komfortablen Angeboten.

Der medienaffine Kundentypus schätzt die „hybride Form der Nachhilfe“ – so die Beobachtung von Swantje Goldbach, pädagogische Leiterin des Nachhilfeanbieters Lernwerk. Konkret bedeutet das: Stationäre Nachhilfe wird durch Zusatzmaterial wie Lernvideos, Online-Tutorials etc. gestützt. Die Unterrichtsarten vermischen sich, da in beiden flexible und kompakte Bildungsinhalte favorisiert werden. Viele Wege führen zum Ziel! Auch Institute klassischer Nachhilfe setzen nicht mehr nur auf ein Pferd: Das Lernwerk erreicht Schüler über webbasierten Einzelunterricht, Lehrvideos und virtuelle Karteikarten. Die Schülerhilfe bietet eine Online-Bibliothek, Filmsequenzen, Direkthilfe, interaktive Live-Foren plus Apps, und der Studienkreis wartet mit Videochat-Nachhilfe, einem Selbstlernportal und Soforthilfe auf.

Das spielerische Konzept einiger Online-Nachhilfen mag auch Eltern überzeugen, bei denen beim Gedanken an Computerspiele für gewöhnlich die Alarmglocken schrillen: Achtung, Verdummung durch stumpfsinniges Zocken! Die Inhalte von Scoyo etwa sind vom TÜV und der FSM (Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter) auf Herz und Nieren geprüft; aus Sicht des Kinder- und Jugendschutzes erteilt die FSM zudem den gängigen Portalen der Online-Nachhilfe das Prädikat „unbedenklich“. Trotzdem empfiehlt der zuständige Referent für Medienbildung Björn Schreiber: „Generell sollte wie bei jeder Nutzung von Medien je nach Alter auf Nutzungsdauer und -intensität geachtet werden.“ Wohlwollend merkt er an: Das Prinzip des Spielens sei Kindern und Jugendlichen bekannt, ermögliche im besten Fall eine engagierte und emotionale Beteiligung und könne so die Motivation und Lernbereitschaft fördern.

Nachhilfe für kleine Nerds

  • Interaktive Spielewelten
    Scoyo deckt den Schulstoff bis zur 7. Klasse über virtuelle Erlebnisszenarien ab – ein Curriculum aus rund 4000 Lernmodulen und 10 000 Übungen sowie Tests. Das Portal Lernerfolg versucht, Grundschüler über kurze Lehr- und Belohnungsspiele fit für den Übertritt zu machen.

  • Soforthilfe
    Wer bei den Hausaufgaben ins Stocken gerät, kann beim Studienkreis, bei Sofatutor und der Schülerhilfe Nachhilfelehrer ohne Termin zu Rate ziehen: In einem festgelegten Zeitfenster werden drängende Fragen per Chat binnen weniger Minuten beantwortet.

  • Lernvideos  
    Sofatutor bewegt sich mit 13 000 Videos an der Spitze des Marktes und vermittelt Wissen aus 21 Fächern und gängigen Unifachbereichen in prägnanten Sequenzen. Die Schülerhilfe hält eine fundierte Videosammlung zu den Hauptfächern bereit, das Lernwerk erklärt ausschließlich Matheklassiker über Dutzende Lehrfilme. Eine Schnäppchenvariante liefert Oberprima, hier sind lediglich für die Werbefreiheit der 4000 Clips 15 Euro pro Jahr zu bezahlen.

  • Nachhilfe per Webcam  
    Das Lernwerk hält Nachhilfe via Skype in der kontrollierten Umgebung des Instituts ab, die Videokonferenz von NoteEins läuft ohne Software-Installationen über den Webbrowser. Auch Studienkreis und Sofatutor bieten webbasierten Einzelunterricht für alle Schulfächer, Klassen und Niveaustufen.

  • Kostenloses Online-Pauken
    Virtuelle Datenbanken von Mathebibel, Schulminator, Bettermarks, Serlo oder von der Khan Academy verhelfen Schülern in Rechenkunde durchzusteigen, ohne den Geldbeutel zu strapazieren.

  • Live-Foren
    Im Live-Forum der Schülerhilfe können User einem Lehrer zu einem bestimmten Thema lauschen und anonym Fragen stellen. In den Foren von NoteEins unterstützen sich Schüler untereinander.

  • Online-Datenbanken
    Zum Download, Druck oder zur Bearbeitung gibt es bei allen größeren Plattformen Archive mit digitalen Lehrmaterialien wie Beispielaufgaben, Übungen, Lösungen, Apps, Vokabeltrainer, Originalklausuren, Karteikarten, interaktive Abi-Trainings usw.

Vertrauen ist gut, aber Kontrolle besser. Diesem Motto tragen führende Anbieter Rechnung: Per virtueller Analysefunktion, E-Mail, Telefon oder Skype liefern sie dezidierte Einblicke in die Fortschritte der Sprösslinge. Wie viel die moderne Nachhilfe kostet, ist je nach Angebot unterschiedlich: Gewöhnlich ist ein Testlauf gratis, im Anschluss gibt es 1-, 3-, 6-, 12- oder 24-Monatsverträge. Flexible Videokonferenzen können auch stündlich und Soforthilfe minutenweise bezahlt werden. Im Vergleich zum konventionellen Förderunterricht ist Web-Lernen tendenziell günstiger: Bei Sofatutor gibt es Lernvideos samt Hausaufgaben-Chat und Übungen im 1-Jahres-Abo ab 24,95 Euro pro Monat. Bei gleicher Laufzeit kosten die Spielewelten von Scoyo 14,99 Euro und vier Sitzungen mit dem Online-Lehrer beim Studienkreis 69 Euro monatlich.

Um Zeugnisnoten aufzupolieren, schieben in Deutschland mehr als die Hälfte der Schüler Extraschichten, allen voran in Mathematik, gefolgt von Deutsch und Englisch. Das belegt eine vom Studienkreis und Scoyo in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage, nach der 17 Prozent mithilfe des Computers und Online-Portalen büffeln. Dem Gros der förderungsbedürftigen Kinder greifen nach wie vor Eltern, andere nahestehende Personen oder professionelle Nachhilfelehrer unter die Arme.

„Online-Nachhilfe ist als Ergänzung hervorragend, gerade für Nachhilfeschüler, die nicht zu schwach sind, sondern sich weiter verbessern wollen. Als Verdrängung der Präsenznachhilfe kann ich sie mir nicht vorstellen“, sagt Ludwig Haag, Leiter des Bayreuther Instituts für Schulpädagogik. Seine Überzeugung: „Eine gute Face-to-Face-Situation ist ein zentraler Schlüssel zum Erfolg.“ Ein funktionierendes Miteinander sei von elementarer Bedeutung, da Lernprobleme durchaus auch an einer schlechten Schüler-Lehrer-Beziehung liegen können.

TIPP: Magazin SCHULE Print-Ausgabe

  • Der Artikel über Online-Nachhilfe ist neben vielen anderen Themen Teil der aktuell am Kiosk erhältlichen Print-Ausgabe 5/2015 von Magazin SCHULE. Mehr hier.

Ein großer Vorteil der Online-Nachhilfe, nämlich die Unabhängigkeit von Raum und Zeit, kann Schülern gleichzeitig zum Verhängnis werden. „Aus allen Studien über Online-Nachhilfe wissen wir, dass selbst gesteuertes Lernen eine wesentliche Voraussetzung ist. Gerade das selbst regulierte Lernen kann man bei einem Nachhilfeschüler aber eher weniger voraussetzen“, so Haag.

Tony Eckelmann, Gründer des ehemaligen Instituts für angewandte Bildungsforschung (heute: Lela Leipzig), hält Web-Nachhilfe bei zweierlei Lerntypen für eher ungeeignet: bei „ängstlichen Lernern, denen die Strategien fehlen und die durch viele Misserfolgserlebnisse inzwischen stark verunsichert sind“, sowie beim „stark unmotivierten Lerntyp, welcher sich selbst aufgegeben hat“. Zu viel Auswahlmöglichkeiten und Freiheiten, wie sie die Online-Nachhilfe durch eine fehlende Kontrollperson bietet, können eben auch überfordern. Aussicht auf Erfolg hat das Online-Lernen also vor allem bei Schülern, die ein gewisses Maß an Motivation, Selbstständigkeit, Ehrgeiz, Selbstreflexion und technischem Know-how mitbringen.

 Fotos: Studienkreis

 

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe (11.11.2015) den Praxis-Test: Ein Hausbesuch bei einer Online-Nachhilfestunde.


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