Viele Jugendliche wissen auch zum Ende ihrer Schulzeit hin noch nicht, welche berufliche Richtung sie einschlagen möchten. Ihre Eltern verzweifeln oft angesichts dieser völligen Ratlosigkeit. Dabei kann der Prozess der Berufsorientierung und Berufswahl ganz einfach sein, wenn man ein paar Tipps dabei beachtet.
Bei der erfolgreichen Berufsorientierung hat sich ein strukturiertes Vorgehen bewährt. Folgende Schritte können dabei helfen:
1. Das eigene Potential erkennen
Man muss wissen, was man kann und will, wenn man sich für eine (berufliche) Richtung entscheidet. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und den eigenen Interessen, Talenten und Fähigkeiten ist ein wichtiger erster Schritt im Berufsfindungsprozess. Folgende Fragen und Gedanken können dabei sehr hilfreich sein. Es empfiehlt sich diese schriftlich für sich festzuhalten.
Interessen
Was gefällt und interessiert mich besonders? Über welche Themen/Branchen/Fragestellungen denke ich gerne nach? Zu welchen Themen lese ich besonders gerne Bücher/Zeitschriften oder schaue Filme/Serien/Dokumentationen?
Talente
Was liegt mir besonders? Welche Tätigkeiten fallen mir leicht und gehen einfach von der Hand? In welchen Bereichen wurde mir schon von anderen ein gewisses Talent bestätigt?
Fähigkeiten
Was kann ich besonders gut? Womit habe ich mich lange erfolgreich befasst? In welchen Tätigkeiten habe ich einen fundierten Wissenstand und ein entsprechendes Erfahrungslevel? In welchen Bereichen fragen mich andere um Rat?
2. Überblick über die unterschiedlichen Ausbildungsformen gewinnen
Im zweiten Schritt der Berufsorientierung sollte man sich einmal bewusst über die unterschiedlichen Ausbildungsformen informieren und Gedanken machen, welche Art des Lernens einem persönlich am meisten liegt. Eine Ausbildung einerseits und ein Studium andererseits unterscheiden sich stark in der Art der Informations- und Wissensvermittlung. Gleichzeitig lernen einige Menschen am effektivsten, wenn sie selbst aktiv werden und das gelernte direkt praktisch umsetzen können, andere bevorzugen die theoretische Wissensvermittlung.
Übrigens: Der derzeit angestrebte bzw. erreichte Schulabschluss sollte nicht der entscheidende Faktor sein, wenn es darum geht, sich für eine Ausbildung oder ein Studium zu entscheiden. Wer momentan die Realschule oder Hauptschule besucht oder bereits abgeschlossen hat, kann später genauso studieren, wenn er das möchte. Das deutsche Bildungssystem bietet zahlreiche Möglichkeiten, nachträglich einen Schulabschluss zu erwerben. Auch ein Gymnasiast oder eine Abiturientin sollte sich nicht zum Studium verpflichtet fühlen, sondern eine Berufsausbildung beginnen, wenn er oder sie das möchte.
Ein kleiner Überblick über die gängigsten Ausbildungsformen:
Berufsausbildung
Es gibt zwei Arten von Berufsausbildung, die schulische und die betriebliche/ duale Berufsausbildung. Die schulische Berufsausbildung findet an der Berufsfachschule statt, während die betriebliche oder duale Berufsausbildung sowohl Aufenthalte im Betrieb als auch an der Berufsschule vorsieht. Einige Berufe kann man nur mit einer schulischen Berufsausbildung erlernen, wie etwa Erzieherin, Krankenpfleger oder Dolmetscherin.
Studium
Wer sich für ein Studium entscheidet, kann bei entsprechendem Schulabschluss unter anderem zwischen einer Universität oder Fachhochschule wählen. Die Fachhochschule legt ihren Fokus auf die praktische Umsetzung des gelernten Wissens, während die Universität sich mehr auf die theoretische Wissensvermittlung sowie die Forschung konzentriert. Man sollte beachten, dass einige Berufe ausschließlich mit einem Universitätsstudium erreicht werden können, wie Lehrer, Ärztin oder Anwalt.
Duales Studium
Ein duales Studium kombiniert ein Studium an der Fachhochschule, Universität, oder Berufsakademie (duale Hochschule) mit einer Anstellung in einem Betrieb. Es gibt zwei Arten des dualen Studiums, das ausbildungsintegrierende (mit Berufsausbildung) und das praxisorientierte (ohne Berufsausbildung, aber mit zahlreichen Praktika im Unternehmen). Mehr Informationen zum dualen Studium, Tipps zur Berufsorientierung und mein persönlicher Erfahrungsbericht über Ablauf und Bewerbungsverfahren stehen in meinem Bewerbungsratgeber „Die ersten Bewerbungen für Schüler und Studierende“, erschienen im Springer Verlag.
3. Potentielle Branchen und Berufe identifizieren
Ein Studium der absoluten Wunschrichtung nützt leider wenig, wenn der spätere Beruf nicht mehr viel mit den interessanten Studieninhalten zu tun hat, oder die Chancen auf einen Beruf im studierten Fachbereich verschwindend gering sind. Auch der Ausbildungsinhalt deckt sich nicht immer mit dem späteren Tätigkeitsfeld und Arbeitsalltag. Genau aus diesem Grund sollte man sich bereits bei der Berufsorientierung mehr am angestrebten Beruf orientieren als nur an den Ausbildungs- oder Studieninhalten.
Dabei sollte die entscheidende Frage lauten: Womit beschäftige ich mich gerne? Und nicht: Was wäre ich gerne?
Anstatt zum Beispiel zu sagen „ich möchte Musikerin werden“, sollte man besser sagen: „ich möchte etwas mit Musik machen“. Es geht um den Unterschied zwischen einem konkreten Beruf und einer Berufsbranche, die zahlreiche potentiell relevante Berufe beinhalten kann. Wer etwas mit Musik machen möchte, muss nicht zwingend Musiker werden. In der Musikbranche gibt es noch weitere interessante Berufsgruppen, wie Mediengestalter für Fernsehen oder Radio, Komponist, Dirigent oder Instrumentenbauer. Es gibt sowohl spannende Berufsausbildungen als auch interessante Studiengänge, die einen Einstieg in diese Branche ermöglichen.
Aufgrund der Fülle an möglichen Berufen ist es gar nicht so einfach, einen Überblick zu behalten. Hier kann das Internet eine große Unterstützung sein. Zahleiche kostenfreie Berufseignungstests und sogar Handy-Apps können einem auch bisher unbekannte Berufsfelder aufzeigen. Die Arbeitsagentur bietet hier einiges an, etwa eine persönliche Berufsberatung. Auch der Besuch von Berufsinformationsveranstaltungen, zum Beispiel Jobmessen oder einem Tag der offenen Tür in einem Unternehmen, können sehr aufschlussreich sein und wichtige Tipps zur Berufsorientierung geben. Auch sollte man sich Rat und Unterstützung nach Möglichkeit aus dem persönlichen Umfeld holen. Womöglich kennt man jemanden, der einem wertvolle Informationen bezüglich Arbeitsalltag, Einstiegsmöglichkeiten und Anforderungsprofil für eine interessante Branche oder Berufsgruppe geben kann. Gerade Eltern und Bekannte können hier eine große Hilfe sein.
4. Eigene Erfahrungen durch Praktika gewinnen
Um die Berufsorientierung ideal abzurunden, sollte man unbedingt die einmal identifizierten Berufsgruppen und Branchen genauer kennenlernen und sich einen persönlichen Eindruck verschaffen. Gerade Orientierungspraktika oder Ferienjobs sind hier Gold wert und liefern wertvolle Einblicke und Erkenntnisse. So kann man das Bild und die Vorstellung, welches man von einer Berufsrichtung hat, mit dem tatsächlichen Arbeitsalltag abgleichen und für sich selbst entscheiden, ob es einen liegt oder nicht. Es ist unendlich viel besser, während eines Praktikums zu merken, dass ein Berufsfeld nicht zu einem passt, als dies später während der Ausbildung oder dem Studium entsetzt festzustellen und dann womöglich abzubrechen.
Tipps zur Berufsorientierung: Fazit
Wer die vorangegangenen Schritte besten Wissens und Gewissens durchgeführt hat, braucht sich nicht vor einer beruflichen Fehlentscheidung fürchten. Gerade in der heutigen Zeit ist eine einmal getroffene berufliche Richtung zudem nicht in Stein gemeißelt. Es gibt auch später durchaus noch Möglichkeiten sich umzuorientieren und in einen anderen Bereich zu wechseln.