Denken & Diskutieren

Wie klappt das mit dem Homeoffice?

Zu Hause arbeiten ist perfekt für Eltern. Denn Arbeit und Familienleben lassen sich im Homeoffice besser vereinbaren. Stimmt das wirklich? Ein Report


Wenn sie die Kinder um 8.30 Uhr in die Kita gebracht und auch ihr Mann das Haus verlassen hat, beginnt für Jana Schulz-Preuß der Arbeitstag. Sie setzt sich daheim an den großen Esstisch, legt ihr Handy bereit, klappt ihren Laptop auf und legt einfach los. Seit drei Jahren macht die 40-Jährige das Marketing für das Kulturhotel Fürst Pückler Park im sächsischen Bad Muskau nahe der polnischen Grenze.

„Im Hotel gibt es keinen Arbeitsplatz für mich, also arbeite ich komplett aus dem Homeoffice“, ­erzählt die Diplom-Medienberaterin. So sei die Stelle auch ausgeschrieben ­gewesen. Für Jana Schulz-Preuß war das ein ­absoluter Glücksgriff: Eine ­anspruchsvolle Tätigkeit, mit der sich Job und Familie dennoch gut vereinbaren lassen, würden sich viele ­Eltern wünschen.

Teilzeitstelle? Schwierig

Nach der Elternzeit für ihre zwei Kinder wollte Jana Schulz-Preuß gern in Teilzeit arbeiten. Doch das war nicht gerade einfach: „Ich wohne südlich von Cottbus. In unserer ­Region ist es ohnehin schwer, einen Job zu finden.“ Der Landkreis Görlitz im äußersten Osten Sachsens hat die höchste Arbeitslosenquote innerhalb des Bundeslandes. Sie bewarb sich ­initiativ bei vielen potenziellen Arbeitgebern. Bei ihrer Stellensuche stieß sie zufällig auf das Hotel, das ­sogar einen Job ausgeschrieben ­hatte. Schnell wurde sie sich mit dem ­Arbeitgeber einig.

Einmal im Monat setzen wir uns zusammen. Das genügt

„Ich kümmere mich ­beispielsweise um die Gästemappen, den Internet­auftritt und erstelle Broschüren, die ich betexte und drucken ­lasse.“ Den Kontakt zu ihrer Vorgesetzten, der Geschäftsführerin des Hotels, hält sie über Telefon, WhatsApp und E-Mail. „Einmal im Monat setzen wir uns für einige Stunden zusammen, besprechen und planen Projekte, die ich dann umsetze.“ Das genügt für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

Es geht vielen Arbeitnehmern so wie Jana

Ein Arbeitsmodell wie jenes von Jana Schulz-Preuß ist der Traum vieler Eltern. Tatsächlich haben immer mehr Berufstätige kein klassisches Büro mehr in einer Firma. Ein Laptop und leistungsfähiges Internet sind ­heute oft alles, was man zum erfolgreichen ­Arbeiten braucht. Solo-Selbstständige kennen diese Freiheit schon ­lange, nun profitieren davon auch ­viele ­Arbeitnehmer: Bosch und Daimler beispielsweise ­haben den Arbeitsort für ihre Angestellten (sofern sie nicht am Band in der ­Fertigungshalle ­stehen) schon vor Jahren freigegeben. Viele Mitarbeiter dürfen wählen, ob sie ins Büro kommen oder aus dem Homeoffice arbeiten. Rund ein Fünftel der Beschäftigten in mittleren und großen Unternehmen entscheidet sich zumindest gelegentlich dafür, wie eine Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt.

„Die Vorteile liegen klar auf der Hand“, sagt IAB-Forscher Lutz Bellmann. „In unserer Studie gaben 73 Prozent der Befragten an, dadurch Beruf- und Privatleben besser vereinen zu können, für 63 Prozent ist das konzentrierte Arbeiten von Vorteil. Am meisten schätzen die Arbeitnehmer aber, dass die Fahrzeiten zum Arbeitsplatz geringer werden. 78 Prozent gaben das als Vorteil an.“ Das schätzen besonders berufstätige Eltern, wenn die Betreuungszeiten im Kindergarten oder die Stundenpläne in der Schule das täg­liche Pendeln zum Arbeitsplatz zeitlich unmöglich machen.

„Ich kann viel entspannter in den Tag starten“

Das weiß auch Christian Schulze Schölling. Der 36-Jährige ist als Bildungsberater für die WBS Gruppe tätig. Er informiert Arbeitssuchende, Berufstä­tige und Unternehmen über geeignete Weiterbildungsangebote. Zunächst arbeitete er zwei Monate im Betrieb, dann zu 60 Prozent aus dem Home­office und nun komplett von zu Hause – wie der Rest seines 25-köpfigen Teams auch. Die Kommunikation findet über Chats statt. „Ich kann viel entspannter in den Tag starten, muss mich nicht in überfüllte Bahnen quetschen und keine Fahrkarten mehr kaufen. Davon profitieren Arbeit und Freizeit gleichermaßen“, konstatiert er. Das Wichtigste für ihn ist aber: „Ich kann konzentrierter und freier arbeiten.“ Auch wenn er keine Kinder hat, genießt er es doch sehr, am Ende eines Arbeitstags sofort in den Feierabend zu starten und Zeit mit seiner Frau ­verbringen zu können. Ein ­Gewinn an Lebensqualität.

Ich kann die Kinder zu Hause versorgen, bleibe ansprechbar und erledige die Arbeit

Die Diplom-Medienberaterin Jana Schulz-Preuß findet an ihrem Arbeits­modell gut, dass sie nicht an feste ­Arbeitszeiten gebunden ist und so besser für ihre zwei Kinder da sein kann. Davon profitiere auch ihr Arbeit­geber, wie sie erklärt: „Selbst wenn mein Sohn oder meine Tochter krank sind, falle ich nicht aus. Ich kann die Kinder zu Hause versorgen, bleibe ansprechbar und erledige die Arbeit, sobald es möglich ist – notfalls erst, wenn die Kinder schlafen.“

Wer im Homeoffice arbeitet, kann besser für die Familie da sein und mehr Anteil am Leben der Kinder haben­. Darauf hoffen viele Eltern – und zwar nicht nur die Mütter. Das IAB hat ­herausgefunden, dass Frauen und Männer die Möglichkeit zum Home­office in nahezu gleichem Maße nutzen. Ältere mit pflegebedürftigen Angehörigen profitieren ebenso wie jüngere Angestellte mit Kindern.

 

Pro & Kontra Homeoffice

Wenn Eltern im Homeoffice arbeiten, kann das viele Probleme entschärfen – aber auch neue schaffen. Deswegen sollten Mütter und Väter sich vorher bewusst machen, was sie im Homeoffice erwartet und von ihnen erwartet wird.

  • Die Vorteile:

    • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird erleichtert. Kinder können beispielsweise leichter versorgt werden (bei Krankheit, Unterrichtsausfall etc.), und Eltern können mehr am Leben der Kinder teilhaben.
    • Nervige Fahrwege zur und von der Arbeitsstelle fallen weg.
    • Man arbeitet in der Regel konzentrierter.
    • Die Arbeitszeit wird flexibler und kann häufig selbst
      eingeteilt werden.
    • Auch für die Arbeitgeber gibt es Vorteile, wie diverse Studien belegen: Wer im Homeoffice arbeitet, ist
      produktiver, seltener krank, legt weniger Pausen ein, schafft ein größeres Arbeitspensum, ist zufriedener und kündigt seltener.
  • Die Nachteile:

    • Arbeit und Freizeit lassen sich schlecht trennen.
    • Manche Mitarbeiter haben das Gefühl, rechtfertigen und beweisen zu müssen, dass sie wirklich genug gearbeitet haben – obwohl sie tendenziell eher mehr schaffen.
    • Die interne Kommunikation fällt nahezu weg. Es gibt wenig persönlichen Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten.
    • Viele Heimarbeiter sind für ihre Chefs quasi unsichtbar und laufen Gefahr, nicht als Leistungsträger wahrgenommen und bei Beförderungen übergangen zu werden.
    • Nicht jeder ist geeignet, aus dem Homeoffice zu arbeiten: Man muss sich gut organisieren können und viel
      Selbstdisziplin aufbringen.
  • Wie ist die Rechtslage?

    In Deutschland haben Arbeitnehmer keinen grundsätzlichen Anspruch darauf, ihre Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Es gibt aber die Möglichkeit, Heimarbeit mit dem Arbeitgeber in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag festzuschreiben. Diese ist rechtlich bindend, solange sie für beide Seiten funktioniert.

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    Diese Fragen sollten Sie vorab mit Ihrem Arbeitgeber klären:

    • Wie kann man sicherstellen, dass keine vertraulichen
      Daten nach außen gelangen?
    • Wer stellt die Geräte, den Telefon- und Internetanschluss sowie Schreibtisch und Bürostuhl zur Verfügung?
    • Wie kann der Arbeitgeber gewährleisten, dass der
      Mitarbeiter nicht zu viele Überstunden macht und
      genügend Pausen einlegt?

 

Die Versprechen der Politiker – was wird daraus?

Trotz der zahlreichen positiven Aspekte liegt Deutschland bei der Homeoffice-Nutzung laut IAB im hinteren Mittelfeld der EU-Staaten. Arbeitsmarktforscher Bellmann kennt den Grund: „Wir ­haben keine gesetzliche Regelung für die Heimarbeit, was die Zurückhaltung der Arbeitgeber erklärt. In den Niederlanden sind Arbeitgeber ­beispielsweise seit 2016 verpflichtet, den Wunsch ­eines Beschäftigten nach Heimarbeit sorgfältig zu prüfen. Eine Ablehnung muss sehr gut begründet werden.“

Dass dieses Arbeitsmarktinstru­ment helfen kann, die Arbeitszeit von erwerbstätigen Eltern ­flexibler zu gestalten und damit sogar dem Fachkräfte­mangel zu begegnen, haben auch die deutschen Politiker erkannt. In ihren Wahlprogrammen versprachen alle Parteien, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit allerlei Maßnahmen besser zu gestalten – sei es mit dem Ausbau der Telearbeit, den die CSU propagierte, einer Familienarbeitszeit, die die SPD einführen wollte, oder dem Recht auf Homeoffice, das die Grünen forderten. Sie alle wissen, dass mehr Flexibilität den Arbeitnehmern guttut.

Es gibt viele weitere Ideen, wie Arbeitnehmer ihre Arbeit flexibler ­gestalten können. Zum Beispiel gibt es in vielen Firmen Jahreszeitkonten. Das ist attraktiv für Eltern, da sie je nach Betreuungsbedarf der Kinder ­zeitweise mehr oder weniger arbeiten können.

Homeoffice ist nicht immer ein Segen

Klar ist: Das Homeoffice kann viele Probleme lösen – aber auch neue schaffen. Wer zu Hause arbeitet, braucht vor allem Struktur und Selbstdisziplin, damit sich ­Berufs- und Privatleben nicht zu sehr vermischen. Jana Schulz-Preuß hat sich ihren Tag klar gegliedert: Während die Kinder in der Kita sind, geht sie ihrer Arbeit nach. Ist die erledigt, kümmert sie sich um den Haushalt. Der Nachmittag gehört den Kindern. Immer. Auch der gelernte ­Diplom-Kaufmann Schulze Schölling hat ­einen Weg gefunden, Berufliches und Privates zu trennen: „Sobald ich den PC runterfahre, ist Feierabend. Dann wird er auch erst am kommenden Arbeitstag wieder angeschaltet!“

Viele machen unbezahlte Überstunden, manche kommen nicht zur Ruhe

Das gelingt nicht allen Arbeitnehmern. Viele machen ­unbezahlte Überstunden, manche kommen nach einem Homeoffice-Tag schlecht zur Ruhe, wie eine Erhebung der ­gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Vor allem Männer. Für Bellmann ist daher eins klar: „Die Anwesenheit im Home­office muss klar geregelt sein, etwa in einer Betriebsvereinbarung. Es darf kein Freibrief für Vorgesetzte, Kunden und Kollegen sein, den Mitarbeiter zu jeder  – auch unmöglichen – Zeit erreichen zu wollen.“ Für die Arbeit im Homeoffice sollte eine Kernzeit festgelegt werden, in der die Mitarbeiter zumindest per PC erreichbar sein müssen. Auch in den Teams bedarf es konkreter Absprachen, damit so ein Modell gut funktioniert, sagt Bellmann: „Nicht nur die Chefs sind hier in der Verantwortung, sondern auch Kollegen, Mitarbeiter und Personalverantwortliche.“ Schulze Schölling und Schulz-Preuß haben bislang nur gute Erfahrungen mit der Telearbeit gemacht. Ihre Arbeitszeit haben sie klar geregelt und dadurch auch den Gewinn an Familienzeit. Sie sind dankbar für das Vertrauen, das ihre Arbeitgeber ihnen entgegenbringen.

Zu Hause ist man entspannter und effektiver

Ein Vertrauen, das nach Erfahrung der WBS Gruppe nicht enttäuscht wird. Wer ­Familie und Arbeit besser vereinen kann, arbeitet effektiver und entspannter. Deshalb bietet das Unternehmen allen Angestellten, bei ­denen es möglich ist, die Arbeit von zu ­Hause an. Vom Studenten bis zur Führungskraft, von einem Tag in der Woche bis zum kompletten Homeoffice. Etwa 25 Prozent der 1 300 Beschäftigten nutzen das Modell. „Wir treffen mit den Mitarbeitern eine Zielvereinbarung für ihre Projekte. Die Zeit, um das Ziel zu erreichen, können sie sich frei einteilen“, berichtet Personalerin Lysann Nikolopoulos. Sie selbst arbeitet, dank digitaler Prozesse und Personalakten, einen Tag pro Woche aus dem Homeoffice. „So kann ich besser für meine Familie da sein.“



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