Lesen & Leben

#NoHandyChallenge

Zwei laaaaaaaaaange Monate ohne Smartphone? Undenkbar! Der zwölfjährige Tom stellt sich dieser Herausforderung – allerdings nicht ganz freiwillig. Wie es ihm in seiner handyfreien Zeit ergeht, beschreibt der Schüler in seinem Tagebuch


Der Auslöser dafür, dass ich zwei Monate ohne Handy leben musste, war ein ­Hackerangriff auf meinen Netzbetreiber. Wegen dieses Angriffs hatte ich keinen Zugang zum Internet. Ich versuchte deshalb, irgendetwas ohne Internet auf meinem Handy zu machen. Dabei kam ich auf die Idee, mir eine neue PIN zu erstellen. Aber als ich die neue Nummer eingeben wollte, wurde sie nicht akzeptiert. Mein Handy bestrafte mich mit einer fünfminütigen Wartezeit. Das wiederholte sich noch dreimal. Meine Eltern haben mir bei dieser PIN-Katastrophe nicht helfen wollen.

Das und die Tatsache, dass ich keine YouTube-Videos mehr schauen konnte, hat mich so in Rage versetzt, dass ich mein Handy gegen die Wand geworfen habe. Danach war das Gerät kaputt. Auch mein Vater konnte es nicht mehr retten.

Ich war zweifellos besessen von meinem Handy

In diesem Moment war ich einfach nur entsetzt. Es kam mir vor, als hätte ich soeben alle YouTuber der Welt, die WhatsApp-Gruppe meiner Fußballmannschaft und das gesamte Internet weggeschmissen. Nach ein paar Stunden wurde mir langsam klar: Ich war zweifellos besessen von meinem Handy.

Das festzustellen war schon erschreckend. Und noch dazu hatte ich kein Geld, um mir ein neues Handy zu kaufen. Meine Eltern machten mir einen Vorschlag: Im Februar verlängert sich der Vertrag meiner Mutter, und sie bekommt ein neues Handy – dann gibt sie mir ihr altes. Bis dahin muss ich ohne auskommen. Zwei Monate ohne Handy! Acht unendlich laaaaaaaange Wochen? Wie sollte ich das bloß aushalten, ohne verrückt zu werden? Kein YouTube, kein WhatsApp, keine Spiele! Entsetzlich!

Da kam meine Mutter auf die Idee, dass ich darüber ­Tagebuch schreiben könnte. Zum Nikolaus hat sie mir eins geschenkt. Da ich ohne Smartphone eh nichts mehr zu tun hatte, beschloss ich, meine Erfahrungen aufzuschreiben. Bis Februar ohne Handy: Damit war meine #NoHandyChallenge geboren.

Freitag, 2.12.

In mir tobt es. Ich bin gelangweilt.

Samstag, 3.12.

Ich lasse gerade so viel kostbare Zeit ungenutzt verstreichen. Zeit, die mir gefehlt hat, als ich noch das Handy hatte. Das macht mich wütend. Meine Langeweile sorgt dafür, dass ich total genervt bin. Ich könnte die Stunden doch jetzt für etwas Sinnvolles nutzen. Da ich aber so genervt bin, habe ich zu nichts Lust. Das führt dann zu noch mehr Langeweile und das wiederum zu noch mehr Wut. Es ist ein Teufelskreis.

Früher hat mir die Zeit gefehlt. Jetzt ist sie da, aber ich nutze sie nicht

Sonntag, 4.12.

Die Zeit hat mir früher so gefehlt, und jetzt ist sie da, aber ich nutze sie nicht. Mir wird klar, wie viel ich bis vor Kurzem vor dem Bildschirm gehockt habe.

Dienstag, 6.12.

Mein Frust steigert sich immer mehr, und ich hab einfach nur noch Lust, alles kaputt zu treten und zu schlagen. Dann komme ich mir vor wie jemand, der Probleme mit seinen Aggressionen hat. Dabei bin ich doch eigentlich nicht so. Und plötzlich wird aus Wut Verzweiflung.

Samstag, 10.12.

Zum Glück habe ich mein E-Book. Ich habe schon 84 Prozent gelesen. Ich werde noch zu einer Leseratte.

Montag, 12.12.

Heute nach dem Fußballtraining wollte ich mitgenommen werden, doch es waren schon alle Mitfahrgelegenheiten besetzt. Ich sollte das besser absprechen, wurde mir gesagt. Da ich aber kein Handy habe und somit auch kein WhatsApp, war das schwer. Das Ergebnis war dann ein sehr langer und anstrengender Nachhauseweg mit der Bahn.

Mittwoch, 14.12.

Der Kader für das heutige Fußballspiel stand zwar nach dem letzten Training noch nicht fest. Aber da das heute ein Testspiel war und normalerweise bei einem Testspiel jeder spielt, bin ich einfach zum Spiel gegangen. Als ich da war, schaute mich mein Trainer entgeistert an und sagte, dass ich doch wohl wisse, dass ich nicht spiele. Ich sah ihn verdattert an, woraufhin er erklärte, dass er den Kader doch in die WhatsApp-Gruppe geschickt hätte. Ich musste dann trotzdem bis 20 Uhr beim Fußballplatz bleiben, weil mich mein Vater erst später abholte, da ich ihm gesagt hatte, dass ich spiele. Es war saukalt und regnete.

Freitag, 16.12.

Ich wollte mich mit meinem Freund treffen. Er wohnt nicht so weit weg von uns, ich brauche nur ungefähr 15 Minuten zu ihm. Da aber leider die Bahn ausgefallen ist, war ich erst ziemlich spät dort. Es war schon fast 18 Uhr, und um 20 Uhr sollte ich zum Abendbrot zu Hause sein. Zum Glück kamen die Eltern meines Freundes auf die Idee, dass ich bei ihm übernachten könne.

In der Schule habe gefragt, was in der YouTube-Serie passiert ist, aber keiner hatte Bock, mir das zu erzählen

Montag, 19.12.

Als ich noch ein Handy hatte, habe ich jeden Tag eine Serie auf YouTube geschaut. Diese Serie gucken auch einige meiner Klassenkameraden. In den Pausen haben wir uns dann immer über die letzte Folge unterhalten. Ich habe heute in der Schule gefragt, was passiert ist, aber keiner hatte Bock, mir das zu erzählen. Ich konnte nicht mitreden.

Donnerstag, 22.12.

Zum Glück habe ich das E-Book. Ich lese abends immer darin. In der Zeit, in der ich früher YouTube-Videos geschaut habe.

Samstag, 24.12.

Es gibt Geschenke. Neben den Torwarthandschuhen freue ich mich über etwas, was mir Papa ausleiht: sein Handy. Ich darf
es bis Februar behalten. Meine #NoHandyChallenge ist damit beendet. Ich habe sie nicht geschafft.

Was mir die #NoHandyChallenge gebracht hat?

Also, das Ganze war echt krass, um mir die Augen zu öffnen. Trotzdem würde ich das nie wieder machen. Ich war plötzlich der totale Außenseiter. Ich schaue jetzt zwar manche YouTuber nicht mehr – deshalb bin ich auch nicht mehr so lange am Handy wie früher –, aber ich muss zugeben, dass ich immer noch süchtig bin.

Trotz meiner Sucht – meine Tipps für Eltern: Meiner Meinung nach sollten Eltern das Handy ihrer Kinder respektieren. Eltern sollten sich auch für das, was der Sohn oder die Tochter auf dem Handy macht, ­interessieren. Aber natürlich nicht so, dass es nervt. Dann kann man seiner Mutter oder seinem Vater nämlich auch mal was beibringen. Meine Mutter hat zum Beispiel einmal „Clash Royale“ gespielt. Es war grauenhaft, aber auch witzig.

Klar sollte es Regeln geben: Ich darf zum Beispiel maximal anderthalb Stunden Fingersport machen. Das ist ziemlich wenig, wenn man auf das nächste Level kommen will. Und nach dem Abendbrot bleibt das Handy unten in der Küche in der Handygarage. Und beim Essen ist es tabu (Irgendwie fies, dass nur meine Mutter was recherchieren darf). Verboten ist auch: auf dem Handy daddeln und gleichzeitig fernsehen. Ich muss schon sagen: Diese Regeln schmerzen ganz schön. Aber es ist irgendwie auch gut, dass es sie gibt. Sonst wäre ich immer viel zu lange online.

Mein Fazit: WhatsApp sollte man haben, sonst ist man draußen. Ohne YouTube und Spiele kann man überleben, aber nur schlecht.

 

#NoHandyChallenge – Foto: Pixaby



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