Öffentliche Schulen sind in Deutschland kostenlos. Sie sind fast überall gut erreichbar, bieten oft unterschiedliche Profile und genießen international einen guten Ruf. Warum also bezahlen manche Eltern viele tausend Euro pro Jahr, damit ihr Kind an einer Privatschule statt an einer staatlichen Einrichtung unterrichtet wird?
Nun, wegen des besseren Unterrichts und der höheren Leistungen an Privatschulen, würden die meisten von ihnen wahrscheinlich antworten. Doch dieses Argument ist zumindest zweifelhaft, wie wissenschaftliche Studien nahelegen: Zwar gibt es tatsächlich deutliche Leistungsunterschiede zwischen den Lernenden in privaten und staatlichen Schulen. Aber die sind fast vollständig durch die unterschiedliche Zusammensetzung der Schülerschaft erklärbar.
Was macht Privatschulen so besonders? Ihre Schüler!
Allerdings liegt genau hier möglicherweise die ehrlichere Antwort auf die Frage: Privatschulen können vielleicht nicht unbedingt bessere Bildung garantieren; aber sie bieten in der Regel ein bestimmtes Umfeld für ihre Schülerinnen und Schüler. Und das hat durchaus einen messbaren Einfluss auf den späteren Erfolg, wie die Forschung zeigt.
„Menschen mit einer ambitionierten Peergroup in ihrer Jahrgangsstufe sind in der Regel zufriedener mit ihrer späteren Arbeit und haben eher eine Stelle, die ihren langfristigen Karrierezielen entspricht“, behauptet die Wissenschaftlerin Yaming Cao, Wissenschaftlerin am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Sie ist Co-Autorin einer Studie, die den Einfluss der Peergroup während der Schulzeit auf den späteren beruflichen Erfolg eines Menschen untersucht hat. Das Ergebnis: Wer „gritty Peers“ hatte, verdient später mehr.
Wer den „Grit“ hat, zieht sein Ding durch.
Als wesentlichen Einflussfaktor identifizieren die Forscherinnen in der Studie den so genannten „Grit“ – eine Eigenschaft, die vielleicht am ehesten dem deutschen „Biss“ entspricht. „Grit bedeutet, dass man eine starke Motivation hat, ein bestimmtes Ziel zu erreichen“, erklärt Effrosyni Adamopoulou, stellvertretende Leiterin der ZEW-Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“ und Erstautorin der Studie. Das Persönlichkeitsmerkmal beschreibe die Ausdauer und Hingabe einer Person, mit der sich diese für ein bestimmtes langfristiges Ziel einsetzt.
Anders gesagt: Wer heute bereit ist, sich abzurackern, um später mal mehr Geld zu verdienen, ist gritty. Doch es geht eben nicht nur um den eigenen Biss. „Auch der Grit des sozialen Umfelds in der Schule prägt den eigenen späteren Lebens- und Berufsweg entscheidend“, sagt Adamopoulou.
Vier Prozent mehr Einkommen – nur weil man die richtigen Leute in der Klasse hatte
Der Studie zufolge ist der Grit-Effekt tatsächlich groß – zumindest in den USA, aus denen die Daten für die Untersuchung stammen. Wer dort als Schülerin oder Schüler zwei Drittel mehr Grit hatte als der Durchschnitt, konnte zwei Jahrzehnte später auf 6,2 Prozent mehr Bruttoeinkommen hoffen. Und wenn die Klassenkameraden in der Schulzeit genauso überdurchschnittlich gritty waren, machte allein das 3,9 Prozent mehr Geld aus.
Davon, sind sich die Autorinnen sicher, könnten besonders Menschen mit sozial schwächerem Hintergrund profitieren: „Eine ambitionierte Peergroup kann helfen, diese Hürden zu überwinden“, glaubt Effrosyni Adamopoulou.
Gritty Peers könnten Aufstiegshelfer sein. Könnten.
Dafür müssten sie allerdings erst einmal in den Genuss einer solchen Peergroup kommen. Tatsächlich sind Menschen mit sozial benachteiligtem Hintergrund an Privatschulen eher selten: „PrivatschülerInnen kommen immer häufiger aus Akademikerelternhäusern“, resümierte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schon 2018 in einer Analyse.
Zwar fordert das deutsche Grundgesetz von Privatschulen, dass „eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“. Deshalb haben teure Privatschulen in der Regel Stipendienmodelle, abgestufte Schulgelder oder andere Möglichkeiten, die Einrichtung auch ohne reiche Eltern zu besuchen. Allein: Sie werden nicht gerade laut beworben – und entsprechend selten genutzt.
Und so bleiben die paar tausend Euro Schulgeld im Jahr für viele Eltern eine Investition in die richtige Peergroup – mit der gar nicht so unbegründeten Hoffnung, dass sich das Ganze auf lange Sicht auszahlt. Wer sich das nicht leisten kann, muss wohl oder übel darauf hoffen, dass das Kind von sich aus die richtigen Freunde findet. Grit findet man zum Glück nicht nur an Privatschulen.
„Erfolgreich nach der Schule? Es sind die Peers, Dummchen!“ – Foto: Freepik