Tests ankündigen oder nicht? - Magazin SCHULE
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Tests ankündigen? Das spricht dafür – und das dagegen

Jederzeit mit einer kleinen Prüfung rechnen zu müssen, kann einen Lernreiz setzen. Das bestätigt eine aktuelle Studie. Sie verdeutlicht aber auch: Wer nachhaltig den Lernerfolg verbessern will, sollte Tests ankündigen


Die Tür geht auf, die Lehrkraft hat einen Stapel DIN-A-4-Blätter in der Hand und guckt komisch: Mist, wir schreiben eine Ex! Die offiziell „Stegreifaufgabe“ genannten Tests (auch „Extemporale“, daher das Kurzwort „Ex“) sind für die meisten bayrischen Schülerinnen und Schüler ein ständiger Grund für Sorge. Denn diese schriftlichen Leistungsnachweise werden nicht angekündigt – wer in der letzten Stunde nicht aufgepasst hat, kann dabei leicht ein Debakel erleben. Während Lehrkräfte in den meisten Bundesländern schriftliche Tests ankündigen müssen, setzt Bayern ebenso wie etwa Rheinland-Pfalz darauf, seine Schülerschaft jederzeit überraschen zu können. Der Gedanke dabei: So haben die Kinder einen Ansporn, immer mitzulernen. Aber lernen sie dadurch auch besser?

Tests ankündigen, um die Lernleistung zu verbessern?

Jüngst stärkte eine wissenschaftliche Studie den Eindruck: Unangekündigte Tests schaden der Leistung mehr, als sie nutzen. Sie erhöhen den Druck auf die Lernenden, vermindern deren Lernfreude – und führen am Ende zu schwächeren Leistungen.

Zu Beginn des Schuljahres teilten die Forschenden unter der Leitung von Ludwig Haag (Universität Bayreuth) und Thomas Götz (Universität Wien) dafür 414 Jugendlichen aus 19 Mittelstufen- und Oberstufen-Kursen eines Hamburger Gymnasiums mit, dass sie im ersten Schulhalbjahr eine unangekündigte Arbeit schreiben würden. Danach befragten sie die Teilnehmenden dazu, wie sehr sie sich auf Aspekte des nächsten Unterrichtsthemas freuen und ob sie sich vor einem Test dazu fürchten. Zwei Wochen später fand der Test statt; bevor die Aufgaben herausgegeben wurden, füllten die Jugendlichen den Fragebogen noch einmal aus. Im zweiten Halbjahr fanden die gleichen Befragungen statt, nur dass diesmal ein Test angekündigt und zwei Wochen später durchgeführt wurde.

Die Ergebnisse: Am Tag der unangekündigten Tests zeigten die Schülerinnen und Schüler deutlich weniger Lernfreude als bei den angekündigten Arbeiten. Gleichzeitig fürchteten sie sich vor der unangekündigten Variante mehr: Die reine Aussicht, jederzeit einen Test schreiben müssen zu können, bereitete den Jugendlichen mehr Prüfungssorgen als der angekündigten Test selbst.

Anspannung setzt tatsächlich einen Lernreiz

Nun ist gerade eine erhöhte Anspannung bei den Schülerinnen und Schülern ein Argument dafür unangekündigte Leistungsnachweise: Dieses Bisschen mehr an Stress soll schließlch dazu führen, dass sie sich auf jede Stunde vorbereiten – und daher am Ende bessere Leistungen zeigen. Doch auch dieses Argument greift der Studie zufolge nicht: Wenn die Lehrkraft den Test ankündigte, waren die Ergebnisse der Teilnehmenden klar besser. Wobei das nicht vornehmlich am geringeren Stress lag.

Der Zusammenhang zwischen Lernfreude und guten Leitungen ist stark

Tatsächlich fanden die Forschenden vor allem einen starken Zusammenhang zwischen Lernfreude und guten Leistungen. Doch auch der erhöhte Stresslevel zu Beginn des Halbjahres mit dem unangekündigten Test wirkte sich positiv auf die Prüfungsergebnisse aus – allerdings nur schwach. Und der Effekt wurde zunichte gemacht durch die noch einmal verstärkten Sorgen am Tag der Tests.

Das eigentlich wenig überraschende Erkenntnis: Zu großer Druck verringert die Lernfreude, vermindert dadurch den Lernerfolg und führt daher zu schwächeren Prüfungsleistungen. Das war allerdings auch schon die Ausgangsannahme der Autorinnen und Autoren der Studie – was neben dem kleinen Teilnehmerfeld und dem dadurch eingeschränkten Studiendesign deren Glanz etwas trübt. Aber das Ergebnis unterstreicht die Bedeutung der Lernfreude für den Lernerfolg – und stützt die Position, schriftliche Leistungserhebungen immer anzukündigen.

Was spricht noch für die „Ex“?

Warum aber führen Lehrkräfte so oft unangekündigte Tests durch, wenn sie ihre Schulgesetze erlauben? Auch hier lohnt sich ein Blick nach Bayern: Dort haben viele Schulen, manchmal auch nur einzelne Fachschaften, die berüchtigten „Exen“ durch Kurzarbeiten ersetzt. Diese umfassen einen etwas größeren Zeitraum als Stegreifaufgaben, werden angekündigt und sind vom Land als Ersatz ausdrücklich erlaubt. Aber für sie gilt wie für Klassenarbeiten: Wenn eine Schülerin oder ein Schüler fehlt, muss es eine Nacharbeit geben. Ein Mehraufwand für die Lehrkraft – und intern oft der entscheidende Grund, es bei den Exen zu belassen.

 

„Tests ankündigen? Das spricht dafür – und das dagegen.“ Foto: pressfoto auf Freepik



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