Leserautoren

Auslandsjahr: Hilfe, Jakob ist dann mal weg!

Magazin-SCHULE-Leserin Charlotte Peters versucht, ihren Sohn davon überzeugen, ein Schuljahr im Ausland zu verbringen. Und sie ist erfolgreich! Er fährt tatsächlich – nach Kanada. Welch Freude, welch Schreck!


Über ein Jahr versuchte ich – ganz elegant und subtil natürlich –, unserem bei diesem Thema zögerlichen Sohn Jakob ein Auslandsjahr schmackhaft zu machen. Kanada schwebte mir vor: grandiose Landschaften, tolle Sprache, interessante Kultur, coole Outdoor-Aktivitäten, supernette Leute – nicht, dass ich schon mal in Kanada gewesen wäre …

2015-19_Auslandsjahr_LeserautorenUnd jetzt hat er sich doch tatsächlich dazu entschlossen! Super! Oder etwa nicht? Völlig überraschend schlagen da plötzlich zwei Herzen in meiner Brust: das eine stolz und freudig ob dieser  horizonterweiternden Erfahrung, um die ich ihn jetzt schon sehr beneide. Das andere mehr ein Herzchen mit ziehendem, bis in den Arm ausstrahlendem Schmerz. Dessen Rhythmus ins Stolpern gerät, wenn andere Mütter entsetzt reagieren mit Kommentaren wie: „Ist das dein Ernst, mit 15? Das könnte ich nie!“

Nur begrenzt hilfreich war da der Artikel einer bekannten Frauenzeitschrift, „Hilfe, mein Kind geht ins Ausland“ (oder so ähnlich), mit beispielhaften Kurzepisoden aus Sicht zurückgelassener Eltern. Berichtet wurde da von Mutationen (vom stoffeligen Nerd zum „Party-Boy“, den es so gar nicht mehr in die Heimat zieht), vom Einfluss von Konfessionen (einer Mormonen-Gastfamilie in Utah – der Aufenthalt endete mit Konversion, Heirat des Gastschülers und sieben Enkelkindern) und Emotionen (ein Gastschüler brach den Aufenthalt einfach vorzeitig ab – wegen der just vor der Abreise kennengelernten Traumfrau).

Ich beginne zu ahnen, was es mit dem Empty Nest Syndrom auf sich hat

Da drängten sich prompt und unausweichlich diverse Fragen auf: Was habe ich da losgetreten? Freiwillig. Für gaaanz viel Geld. Werden unkontrollierbare Einflüsse, zweifelhafte prägende Erfahrungen und eine uns völlig fremde Gastfamilie aus unserem tollen Sohn wer weiß was machen? Wird er dann womöglich so unglaublich selbstständig werden, wie wir uns das eigentlich wünschen?

Die intensiven Vorbereitungen haben uns in unserer Entscheidung und in unserer Wahl bestärkt: Das kanadische Schulsystem ist beispielhaft, die Fächerauswahl beeindruckend (z. B. Fotografie, Holzkunstarbeit, Meeresbiologie, Roboterprogrammierung, Outdoor-Education, tolle Sportangebote). Die Natur, die Menschen und der verhältnismäßig gut funktionierende Mix verschiedener Kulturen sprechen uns an. Jakob hat jetzt auch eine sympathische Gastfamilie zugewiesen bekommen.

Info: Leserautoren

  • Was Eltern bewegt, wissen Eltern selbst am besten. Auch Sie haben ein Thema, eine Idee für einen Artikel und etwas sprachliches Geschick?

    Dann schreiben Sie doch für das Magazin SCHULE Online! Ausgewählte Artikel veröffentlichen wir sogar in unserer Print-Ausgabe, die alle zwei Monate erscheint. Dort bezahlen wir für jeden abgedruckten Artikel 100 Euro Honorar.

    So funktioniert’s: Sie schicken uns ein kurzes Exposé (max. ½ Seite) mit Ihrer Artikel-Idee. Sollte sich die Redaktion für Ihren Artikel entscheiden, nehmen wir zur Autorin oder zum Autor Kontakt auf. Fertige oder an anderer Stelle erschienene Artikel sowie werbende Texte werden nicht berücksichtigt.

    Kontakt:
    E-Mail: redaktion@magazin-schule.de
    Tel. 0 89/13 01 10 56

Ich nehme ihn mit neuer und ungewohnter Intensität und Achtsamkeit wahr. Uns wird bewusst, dass unsere Familie den Großteil des kommenden Jahres nicht in gewohnter Weise verbringen wird, er weder seinen Geburtstag noch Weihnachten mit uns feiern kann. Ich beginne zu ahnen, was es mit dem Empty Nest Syndrom auf sich hat, aber die Freude darüber, dass wir ihm diese besondere Erfahrung ermöglichen können, überwiegt deutlich. Kanada entwickelt sich zum gemeinsamen Projekt, wir gehen in englische Filme und lesen kanadische Jugendliteratur, stöbern auf dem Flohmarkt nach Gastgeschenken und kochen zusammen „typisch“ deutsche Gerichte wie selbst geschabte, kleinfingerdicke Spätzle.

Tja, und dann wären da noch die Kosten . . . Für ein Stipendium waren wir nicht wirklich geeignet und auch viel zu spät dran (Tipp: zwei Jahre vor geplanter Reise loslegen!). Wir haben uns entschlossen, uns das Projekt wie folgt zu versüßen: Wir verbringen vor Schulstart einen Familienurlaub in Kanada! Zugegebenermaßen auch nicht gerade kostenneutral, aber unwiderstehlich abenteuerlich. Wer weiß, ob der Knabe nach seiner Rückkehr überhaupt noch mit seinen Alten und der kleinen Schwester Urlaub machen möchte?

Daher heißt es jetzt für uns alle: auf nach Kanada!



Unsere Themen im Überblick

Kommentieren