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Übertritt: Das „Grundschulabitur“ spornt an

Ob besser die Eltern oder Lehrkräfte bestimmen, auf welche Schulart ein Kind nach der Grundschule geht, ist heftig umstritten. Eine Forscherin hat nun errechnet: Die Schülerleistungen werden besser, wenn die Lehrkraft entscheidet. Weil die Kinder sich mehr anstrengen – und die Eltern auch


Zweiundzwanzig Klassenarbeiten in Deutsch, Mathematik und Heimat- und Sachkunde, und das von September bis April: Dieses stressige Programm der vierten Klasse hat dem Übertrittszeugnis in Bayern den Beinamen „Grundschulabitur“ eingebracht. Ebenso wie in Thüringen, Sachsen und Brandenburg entscheidet dort der Notenschnitt in der vierten Klasse darüber, welche Schulart ein Kind anschließend besuchen darf. Auch wenn die Zahl der so genannten „Proben“ in Bayern inzwischen auf 18 reduziert wurde, kritisieren Eltern immer wieder das rigide Vorgehen. Schließlich dürfen die Eltern in den zwölf anderen Bundesländern weitgehend selbst bestimmen, welche Schule ihr Kind besucht.

Elternwille, Notenentscheidung oder Lehrerempfehlung? Darüber wird in Deutschland seit vielen Jahren gestritten. Die meisten Eltern möchten selbst entscheiden. Bildungsforscher hingegen weisen darauf hin, dass Lehrkräfte und Noten eine bessere Voraussage dafür leisten, ob ein Kind den Anforderungen am Gymnasium entsprechen kann. Die Politik schwankt zwischen den Polen – und so wurde in einigen Bundesländern in den vergangenen Jahren eine verbindliche Lehrerempfehlung eingeführt bzw. wieder abgeschafft.

Die Leistungen steigen – schon vor der Entscheidung

Die Bildungsökonomin Elisabeth Grewenig hat sich dieses Hin und Her am ifo Zentrum für Bildungsökonomik zunutze gemacht (hier ihr working paper). Sie hat sich Testergebnisse von Schülerinnen und Schülern in jenen Bundesländern angesehen, die ihr Entscheidungsverfahren für den Übertritt an die weiterführende Schule geändert haben: Hatte der Wechsel Einfluss auf die Ergebnisse der Kinder?

Und tatsächlich: Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler wurden besser, wenn Noten oder die Empfehlung der Lehrkraft den weiteren Bildungsweg bestimmten. Schon im Jahr vor dem Wechsel zeigten sie bessere Ergebnisse in Lesen und Mathematik als Kinder, deren Eltern selbst über die nächste Schule entscheiden konnten. Und auch an der weiterführenden Schule blieb der Unterschied bestehen, noch in der neunten Klasse konnte Grewenig einen kleinen, positiven Effekt der bindenden Lehrerempfehlung feststellen.

Schüler investieren mehr Zeit – und die Eltern auch

Interessant ist der Grund, den die Wissenschaftlerin dafür aus unterschiedlichen Befragungen ausgemacht hat: Schülerinnen und Schüler, deren Bildungsweg von der Schule bestimmt wurde, investierten mehr Zeit in sinnvolle Betätigungen. Einerseits lasen sie mehr, auch in ihrer Freizeit. Andererseits verbrachten sie aber auch mehr Zeit mit Musizieren, Sport, Werken oder Zeichnen – alles Freizeitaktivitäten, von denen bekannt ist, dass sie den Schulerfolg positiv beeinflussen.

Wie aber kam es dazu? Auch dafür hat Grewenig eine Erklärung – und zwar auf Seiten der Eltern. Denn diese investierten noch deutlich mehr Zeit zusätzlich in schulische Dinge als ihre Kinder, wenn ihnen die Laufbahnentscheidung aus der Hand genommen war. Vor allem suchten sie deutlich häufiger den Kontakt zu den Lehrkräften ihres Kindes – auch das ein Faktor, der bekanntermaßen den Lernerfolg von Kindern steigert.

Eltern-Engagement lohnt sich

Nur spekulieren lässt sich, dass die Eltern in dieses Gesprächen vielleicht Tipps bekommen haben, welche Aktivitäten ihren Kindern für die Schule nützlich sein können. Bekannt sind jedoch, dass Kinder motivierter lernen, wenn ihre Eltern sich für die Schule interessieren, Gesprächsangebote dort wahrnehmen und sich am besten sogar dort engagieren. Das lohnt sich also auch ohne Grundschulabitur.

 

Übertritt: Das Grundschulabitur spornt an – Foto: stokking/freepik



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  1. von Alexandra

    Also ich finde es funktioniert auch sehr gut wenn die Eltern das Entscheidungsrecht haben. Denn ich habe auch schon erlebt das auch viel geschoben und getrickst wurde das es die gewollte Empfehlung gab. Viele Kinder leider auch unter dem Leistungsdruck, sicher die Nachhilfe freuts die haben guten Zulauf. Wir haben z.b. uns gegen die Lehrerentscheidung gestellt und unsere Tochter auf die Realschule getan (statt Hauptschule) und es hat prima funktioniert macht jetzt ihr Abitur, so kann es auch gehen. Auf Nachfrage bei der Klassenlehrerin damals hieß es nur die Direktorin wollte es so……

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