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Interview: Wie ist das Leben im Internat?

Wo ist es besser: Auf deutschen oder englischen Internaten? Interview mit einem, der beide Systeme gut kennt


Unser Bild vom Alltag im Internat ist je nach Generation von „Hanni und Nanni“ oder von „Harry Potter“ geprägt. Tatsächlich haben diese Bücher realis­tische Bezüge – allerdings zu englischen Internaten, wie David Lucius-Clarke, ehemaliger Internatsleiter der Klosterschule Roßleben, erklärt, der mehr als 30 Jahre in britischen Internaten gearbeitet hat:

Herr Lucius-Clarke, welche Internate sind besser: englische oder deutsche?

Das ist eine schwierige Frage. Auf den ersten Blick glänzt in England alles wie Gold: Die Schuluniformen, die reichhaltigen Freizeitangebote, die attraktiven Gelände. Aber ich denke, dass das Akademische in Deutschland etwas gründlicher ist – eine sehr gute Vorbereitung, wenn man in Deutschland studieren möchte. Wer eher international ausgerichtet ist, für den lohnt sich wiederum das englische System mit dem International Baccalaureate (IB), also dem international anerkannten Schulabschluss. Was in deutschen Internaten auf jeden Fall besser ist, ist der Betreuungsschlüssel.

Inwiefern?

Britische Internate sind im Schnitt größer als deutsche. Und sie sind tatsächlich so aufgebaut wie bei „Harry Potter“: Es gibt mehrere Häuser für jeweils etwa 60 Schüler, von denen jedes seine eigene Tradition und Identität hat. Jedes Haus hat nur einen Housemaster und Assistenten, die sich um die Kinder kümmern. Hier in Roßleben teilen sich zehn bis 15 Schüler einen Betreuer, das ist viel intensiver.

Trotzdem wirken englische Internate strenger als deutsche.

Nach außen ja. Auf dem Papier ist in England alles verboten. Aber ich könnte Ihnen Anekdoten erzählen … Sagen wir so: Es ist wie beim Militär, sobald die Schüler freihaben, herrscht Chaos. In Deutschland gibt es mehr Freiheit, aber dafür lernen die Kinder nach und nach, damit umzugehen. Deshalb gehen die Schüler hier wohl mit ihrer Freiheit gesitteter um.

Gibt es auch Gemeinsamkeiten?

Ja, viele. Vor allem die Gemeinschaft – die ist in beiden Ländern das Wichtigste. Wenn man einmal eine solche Schule besucht hat, ist man verbunden. Diese Kontakte begleiten einen ein Leben lang. Und sie können sehr hilfreich sein.



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