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Wenn Hauptschulen schließen

Immer weniger Eltern schicken ihre Kinder auf die Hauptschule. Auch Sekundarschulen sind unbeliebt. Eine gefährliche Entwicklung, meint Nachhilfelehrerin Stefanie Brink


Das Sterben der Grundschulen in vielen ländlichen Gegenden ist offenbar nur der Anfang. Auch in Nordrhein-Westfalen lässt sich gerade folgende Entwicklung beobachten: In den meisten kleinen und mittelgroßen Städten müssen die Hauptschulen schließen, weil für diese Schulform nicht mehr genügend Schüler angemeldet werden. Das stellt alle Beteiligten vor große Probleme: Städte, Eltern, vor allem aber die Schüler. Auf ihre Bedürfnisse wird keine Rücksicht genommen. Viele fallen durch die Maschen.

Das Dilemma beginnt, wenn sich die Städte für die Gründung einer neuen Schulform entscheiden müssen, weil die Hauptschule schließt. Zwei Lösungen bieten sich an: Sekundar- oder Gesamtschule. Wo es am Ort bereits ein Gymnasium gibt, hat die Gesamtschule kaum eine Chance, weil man das prestigeträchtige Gymnasium in Gefahr sieht. Also bleibt nur die Sekundarschule ohne Oberstufe. Für die Gründung einer Sekundarschule müssen dort mindestens 75 Kinder der Stadt im 5. Schuljahr angemeldet werden. Für eine Gesamtschule sind 104 Kinder erforderlich.

In kleineren Städten kommen aber oft nicht einmal die erforderlichen 75 Kinder zusammen, die zur Gründung einer Sekundarschule nötig wären. Einer der Gründe: Zumindest in NRW hat die Sekundarschule teilweise ein schlechteres Image als die Hauptschule. Was also geschieht, wenn die Gründung scheitert?

Wenn Hauptschulen schließen, haben die Kinder mit Hauptschulempfehlung folgende Möglichkeiten:
1. Besuch einer Haupt-, Gesamt- oder Sekundarschule in Nachbarstädten.
2. Besuch einer örtlichen Sonder- oder Realschule.

Die tägliche Fahrt in eine Schule in der Nachbarstadt bedeutet für die Schüler eine große Strapaze. Der Schulweg dauert oft mehr als eine Stunde, ist eventuell mit Umsteigen verbunden, in Regionen, wo Kindern der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) weitgehend unbekannt ist. Für Kinder, die richtig abgelegen auf dem Land wohnen, ist es oft nicht mal möglich, eine Hauptschule zu erreichen, weil viele kleinere Dörfer und Ortschaften keinen ÖPNV-Anschluss haben und Schulbusse nur zu örtlichen Schulen fahren. Gerade die Eltern von Hauptschulkindern haben nicht unbedingt die finanziellen Mittel, ihren Nachwuchs täglich selbst bis zu 40 Kilometer herumzufahren oder ihm eine Fahrkarte zu finanzieren. Es soll übrigens auch auswärtige Schulen geben, die die Aufnahme externer Kinder verweigern.

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Lösung 2 birgt ebenfalls Probleme. Für eine Sonderschule entscheiden sich wohl die wenigsten Eltern. So bleibt nur die Anmeldung an der örtlichen Realschule, so sie denn existiert. Diese ist zwar verpflichtet, die Hauptschüler aufzunehmen. Das Ergebnis: Es sind fast dieselben Kinder in der Klasse, als gäbe es eine Sekundarschule. Aber für alle gilt das Konzept der Realschule, was die Leistungsfähigkeit der eigentlichen Hauptschüler nicht einbezieht. Sie werden überfordert. Weil zudem weniger Lehrer als auf der Sekundarschule zur Verfügung stehen, leiden alle Kinder der Klasse.

Gelingt die Gründung einer neuen Schule, bleibt die Frage: Kann eine Stadt dies räumlich umsetzen? Denn Haupt- und Realschule laufen langsam aus, während sich die Sekundarschule aufbaut.

Das Fazit ist also einigermaßen deprimierend: Die Vorgaben der Politik machen die Gründung von Gesamt- und Sekundarschulen in kleineren Städten schwer bis ganz und gar unmöglich. Zudem überlässt man die Entscheidung für das Schulsystem einer Stadt auf viele Jahre hin ungefähr 100 Eltern. Denjenigen nämlich, die über die Schulform für ihr Kind entscheiden.

So wird das Sterben der Hauptschulen auf dem Land in den meisten Fällen zur Katastrophe. Natürlich, es gibt auch Ausnahmen. Wie so oft aber berücksichtigt die Politik in ihren Vorgaben vor allem die Lebensbedingungen in Großstädten. Ob das fair ist? Wohl kaum.



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