Besser lernen mit Duft – Magazin SCHULE
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Besser lernen mit Duft

Die Vokabeln wollen einfach nicht hängenbleiben? Schon wieder vergessen, wie die Mitose abläuft? Dann könnte ein netter Duft helfen: Damit lernt man besser – sogar im Schlaf.


„Wenn wir etwas lernen, dann lernen wir den Kontext mit“, sagt der Neurowissenschaftler Jürgen Kornmeier. Er verweist auf ein Beispiel in der Literatur: In einer Schlüsselszene von Marcel Prousts Roman „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ beißt der Ich-Erzähler in ein in Tee aufgeweichtes Stück Madelaine – und wird durch den Geschmack mit seinen Gedanken und Gefühlen zurück in seine Kindheit katapultiert. „Das Aroma, der Duft der Madelaine ist bei Proust assoziiert mit Erlebnissen in der Kindheit. Und durch den Duft wird diese Erinnerung wieder geweckt.“

Diesen Effekt können Lernende nutzen: Indem sie für Lerninhalte einen bestimmten Kontext schaffen, der diese quasi huckepack mittransportiert. Erscheint der Kontext wieder, erinnert man sich auch leichter an die Inhalte. So funktioniert das Lernen mit Duft – wissenschaftlich erwiesen!

Lernen fällt leichter mit Duft – unter bestimmten Bedingungen

Kornmeier, der als Privatdozent an der Universität Freiburg lehrt und Direktor des privaten Freiburger Forschungsinstituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene (IGPP) ist, hat diesen Effekt zusammen mit seiner Mitarbeiterin Jessica Knötzele und weiteren Forschenden in einer Studie untersucht. Bereits bekannt war aus anderen Experimenten, dass Inhalte besser im Kopf haften bleiben, wenn Lernende beim Pauken zum Beispiel an Rosenduft schnuppern und diesen Duft in der nächsten Nacht im Tiefschlaf wieder präsentiert bekommen. Das war zwar spannend, aber auch unpraktisch: „Mama, würdest du mir heute Nacht genau in meiner Tiefschlafphase etwas Rosenduft ins Zimmer sprühen?“ – ein schwieriger Lerntipp.

Mama, sprühst du mir Rosenduft ins Zimmer?

In der neuen Studie haben die Forschenden um Kornmeier sich einen praxisnäheren Versuchsaufbau überlegt. Wieder rochen die Probandinnen und Probanden einen Rosenduft: diesmal jedoch beim Lernen (von japanischen Vokabeln, damit niemand von vornherein einen Vorteil hatte), dann während der ganzen darauffolgenden Nacht und zusätzlich bei der Prüfung. Die Teilnehmenden absolvierten insgesamt drei Lerneinheiten an drei aufeinanderfolgenden Tagen, jeweils mit Duft beim Lernen und beim Schlafen. Bei der finalen Prüfung am vierten Tag gab es den Duft ebenfalls. Enthalten war der Duftstoff in unauffälligen Briefumschlägen, welche die Personen beim Lernen, Schlafen und in der Prüfung neben sich legten. Mehrere Kontrollgruppen bekamen gleiche Briefumschläge, die allerdings in einigen oder allen Fällen nur geruchsneutrale Papierschnipsel enthielten.

Mit Duft gelernt, geschlafen– und geprüft

Das Ergebnis: Diejenigen Personen, die dreimal mit Duft lernten, schliefen und geprüft wurden, konnten sich die Vokabeln klar überdurchschnittlich gut merken. Der positive Dufteffekt deutete sich dabei schon nach dem ersten Lerntag an. Enthielt einer oder mehrere der Briefumschläge hingegen nur Papierschnipsel, gab es keinen positiven Lerneffekt – auch dann, wenn nur der Umschlag nachts geruchslos war.

Wie überreden wir das Gehirn, die richtigen Sachen zu speichern?

Warum? „Nachts, in der Tiefschlafphase, findet ein großer Teil der Konsolidierung von tagsüber aufgenommenen Informationen statt“, erklärt Jürgen Kornmeier. „Wenn wir wach sind, nehmen wir unfassbar viele Informationen auf. Nur einen kleinen Bruchteil davon können wir abspeichern und über Tage hinweg erinnern. Es findet also ein massiver Selektionsprozess statt – und eine wesentliche Aufgabe des Schlafs ist es, genau dieses Langzeitgedächtnis zu bilden. Wir wollten wissen: Wie können wir das Gehirn dazu überreden, die richtigen Sachen in den Langzeitspeicher zu schieben? Und dabei hilft offenbar der Duft.“

Die drei Phasen des Lernens

Um das zu verstehen, lohnt sich ein Ausflug in die Arbeitswelt unseres Gehirns. Grob gesagt, gliedert sich das Lernen in drei Schritte: die Encodierung (wir nehmen Informationen mit unseren Sinnen auf), die Konsolidierung (wir transportieren die Informationen vom Kurzzeit- in den Langzeitspeicher) und das Erinnern (wir greifen auf die gespeicherten Informationen zurück). „Meine Hypothese ist“, so Kornmeier, „dass der Duft sowohl bei der Konsolidierung als auch beim Erinnern hilft.“

  • Jürgen Kornmeier und Jessica Knötzele vom Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene
    Privatdozent Dr. Jürgen Kornmeier ist Neurowissenschaftler, lehrt an der Universität Freiburg, ist assoziiert mit der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg und ist Direktor des privaten Freiburger Forschungsinstituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene. Die aktuelle Studie zum Lernen mit Duft war Teil der Masterarbeit seiner Mitarbeiterin Jessica Knötzele (rechtes Bild)

Durch die duftenden Briefumschläge in der Lernphase wurde der Rosen-Geruch im Gehirn der Teilnehmenden mit dem Lernmaterial verknüpft. „Präsentiert man denselben Duft in der entscheidenden Schlafphase wieder, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die assoziierten Gedächtnisinhalte dadurch reaktiviert werden“, sagt der Neurowissenschaftler. „Und wenn diese Inhalte im richtigen Moment reaktiviert sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie ins Langzeitgedächtnis gelangen.“ Dafür muss Mama nicht einmal sprühen: „Entscheidend für diesen Konsolidierungsprozess ist zwar die Tiefschlafphase, auch ‚Slow-Wave-Sleep-Phase‘ genannt. Aber die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass es nicht schadet, wenn der Duft in den anderen Schlafphasen ebenfalls präsent ist.“

Der zweite Schritt, bei dem der Duft eindeutig hilft, ist die Prüfung – also das Erinnern. Kornmeier: „Wenn wir etwas nicht mehr erinnern, kann das ja zwei Ursachen haben: Entweder ist es gar nicht mehr in unserem Gehirn verankert. Oder es ist zwar noch verankert, aber wir finden den Pfad dorthin nicht mehr. Im zweiten Fall glaube ich, dass der Duft helfen kann, den Pfad wiederzufinden.“

Drei Tipps für das Lernen mit Duft

Was können Schülerinnen und Schüler, Studierende und andere also tun, um vom Duft-Effekt zu profitieren? „Erstens sollte man ganz trivial vermeiden, beispielsweise Rosenduft beim Lernen und Zitronenduft beim Schlafen zu nehmen. Das muss schon derselbe Duft sein“, sagt Forscher Kornmeier. „Und zweitens hat unsere Studie gezeigt, dass es ganz gut ist, wenn man das ganze einmal macht – aber noch besser ist, wenn man es dreimal macht.“

Mein Tipp: Schlafen Sie aureichend!

Ganz entscheidend ist für Kornmeier zudem ein dritter Punkt: „Schlafen Sie ausreichend! Klar, wenn so eine Klausur oder ein Vokabeltest ansteht, schiebt man das Lernen gern bis zum bitteren Ende vor sich her. Erst ein, zwei Tage vorher fängt man an zu büffeln, aber dann wie blöd – und schläft meist weniger, um mehr Zeit zum Lernen zu gewinnen. Aber das ist ein Fehler! Unsere Studien, ebenso wie die vielen Vorgängerstudien, zeigen vor allem eines: Schlaf ist fürs Lernen ganz entscheidend. Nur indem man genug schläft, gibt man dem Gehirn ausreichend Zeit, das Gelernte auch in den Langzeitspeicher zu transportieren.“

 

  • „Besser lernen mit Duft“ – Foto: Freepik


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