Zeitmanagement in der Familie: Mehr Zeit, weniger Streit – Magazin SCHULE
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Zeitmanagement in der Familie: Mehr Zeit, weniger Streit

Die Corona-Krise hat unser Familienleben kräftig durcheinander gewirbelt. Jetzt normalisiert sich der Alltag wieder – und Eltern stehen vor der Frage: Wie kommen wir jetzt raus aus dem Hamsterrad mit Job, Schule, ­Hausaufgaben und Haushalt? Unsere Experten geben Rat für gutes Zeitmanagement in der Familie


Zeitmanagement in der Familie sieht oft so aus: Morgens Brotzeiten machen, nachmittags Hausaufgaben kontrollieren, vormittags Videokonferenz, später Projektantrag; zwischendrin schnell einkaufen, Arzttermine koordinieren, Kinder zum Sport oder der Klavierstunde fahren, kochen, aufräumen … Man bräuchte mehr als 30 Stunden am Tag, um das zu schaffen!

Beim Zeitmanagement in der Familie geht es jedoch nicht darum, früher aufzustehen, um schneller im Hamsterrad zu sein, sondern darum, die Dinge anders zu machen: Zeit für Beziehung und Entwicklung zu schaffen, viele Streitthemen zu eliminieren und anders anzuleiten. Dadurch schaffen wir eine herzliche Kommunikationskultur, um in jedem Alter mit den Kindern im Gespräch zu bleiben.

Hobbys sollten Kinder allein erreichen können

Es hilft, unseren Anspruch herunterzufahren und klar zu priorisieren, was uns wirklich wichtig ist. Bei allen Themen, die nicht erste Priorität haben, minimieren wir Zeitaufwand und Energie und schaffen so wertvolle Zeitreserven. Wenn Eltern häufig Taxifahrer für die Kinder sind, so hilft dieser Ansatz: Kinder wählen nur Hobbys, die sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen können. Als schöner Nebeneffekt werden die Kinder schneller selbstständig.

Gutes Zeitmanagement in der Familie heißt, weniger selbst zu machen

Falls Sie das Kind bislang zum Unterricht gefahren und abgeholt haben, überlegen Sie gemeinsam, ob das Kind nicht zusammen mit anderen selbstständig zur Schule gehen oder radeln könnte. Denn auch vielen Lehrern und Direktorinnen sind Elterntaxis ein Dorn im Auge, weil der zusätzliche Verkehr die Kinder gefährdet.

Kinder müssen nicht stetig bespaßt werden

Eltern gewinnen Zeit, wenn sie Lange­weile bei Kindern zulassen. Erziehungswissenschaftler und Hirnforscher betonen immer wieder, dass Langeweile zu den wichtigsten Triebfedern kindlicher Entwicklung gehört. Kinder müssen nicht stetig bespaßt werden, sondern brauchen Freiraum, um selbst Ideen zur Beschäftigung zu entwickeln. Ein Kind, das nie gelernt hat, Langeweile zu überwinden, wird sich auch als Erwachsener nicht selbst beschäftigen können. Der verstorbene dänische ­Familientherapeut Jesper Juul ­hat es so beschrieben: „Wenn die Erwachsenen nicht genug Zeit für sich selbst haben und die Eltern nicht für sich als Paar, dann widmen sie den Kindern garantiert zu viel Aufmerksamkeit. Kein Kind will Aufmerksamkeit. Es braucht Beziehung, will am Leben seiner Eltern teilhaben.“

Gleichberechtigung der Eltern ist gut für die Kinder

Wichtige Symbolwirkung hat die gleichberechtigte Zusammenarbeit der Eltern, denn sie wirkt sich unterschwellig auf die Kinder aus. Teilen sich Mann und Frau die Hausarbeit gerecht auf, wird diese von den Kindern als Selbstverständlichkeit empfunden. Sie lassen sich dann einfacher motivieren, auch selbst ihren altersgerechten Beitrag zur Hausarbeit zu leisten. Erst dann entsteht die eigentlich selbstverständliche Grundvoraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Eltern: eine gerechte Rollenverteilung zu Hause. Dieses Prinzip stärkt eine lebenslange Beziehung durch das Füreinander-Einstehen. Die Kinder ­erleben, wie normal es ist, dass jeder den anderen unterstützt.

Heidi und Christian Eineder – Zeitmanagement in der Familie
Unsere Autoren Heidi und Christian Eineder sind Experten für professionelle Familienorganisation. Mit ihrem Unternehmen „easyfaM“ unterstützen sie berufstätige Eltern mit Tools und Coachingvideos und machen Arbeitgeber familienfreundlich. www.easyfam.com

Das wirkt sich auch positiv auf das Zeitmanagement in der Familie aus. Dafür müssen wir Eltern uns allerdings anfangs noch Zeit nehmen und die Kinder bei einzelnen Aufgaben im Haushalt anleiten. Nach einer Weile gewinnt das Kind Freude an der Selbstständigkeit – und die Eltern damit Zeit. Dennoch gibt es vermutlich auch einma Streit, wenn Kinder im Spiel unterbrochen werden, um Wochenaufgaben zu erle­digen, beispielsweise wenn Papa einfällt, dass die Tochter bitte genau jetzt den Müll raustragen soll. Diesen Streit müssen Eltern einerseits aushalten. Andererseits gibt es aber auch Dinge, die helfen, den Streit möglichst zu vermeiden.

Ein Hoch auf den spielerischen Wettbewerb

Zum Beispiel lieben Kinder den spielerischen Wettbewerb – in jedem Alter. Und es ist gar nicht so schwer, ihn in den ­Tagesablauf einzubauen. Für die Kleinen etwa ist das „Wer fängt als Erster mit dem Zähneputzen an?“-Wettrennen jeden Abend ein großer Spaß. Die etwas Älteren mögen das Spiel „Müll-Meisterin“ oder „Müll-Meister“, diesen Titel bekommt das Familienmitglied verliehen, das am häufigsten den ­Abfall entsorgt hat.

Spielerischer Wettbewerb motiviert und überwindet Widerstände. So erzeugen Eltern eine Sogwirkung, statt Druck zu machen. Der Wunsch zu gewinnen lässt ein ­gedankliches Hemmnis oft verschwinden. Kinder haben nämlich einen natürlichen Spieltrieb, während dieser in der Welt der Erwachsenen unterschätzt und häufig unterdrückt wird. Und doch macht auch uns Minigolfen viel mehr Spaß, wenn wir unsere Punkte auf einen Zettel schreiben und so den Spielstand verfolgen können.

Routinen helfen Kindern und entlasten Eltern

Beachten sollten Eltern zudem: Kinder fühlen sich wohl, wenn die Welt berechenbar für sie ist. Je klarer diese Struktur ist, umso sicherer fühlt sich das Kind. Denn es weiß: Wenn das eine geschieht, folgt das andere. ­Diplom-Psychologin Renate Barth: „Es ist ein Grundbedürfnis jedes Kindes, Regelmäßigkeiten zu entdecken. Routinen bringen Vorteile für Kind und Eltern: Das Kind muss nicht ständig Energie darauf verwenden, seine kleine Welt neu zu ordnen, sondern kann seine geistige Kapazität dafür nutzen, sich weiterzuentwickeln.“

Erwischen Sie Ihr Kind, wenn es etwas gut gemacht hat

Routinen funktionieren auf Basis einiger Wirkprinzi­pien, die Eltern leicht in den Alltag einbauen können. Die wichtigsten sind eben spielerischer Wettbewerb, Selbstständigkeit, Wiederholungen und Lob im Sinne des positiven Verstärkens. Es lohnt, die Kinder bewusst dabei zu „erwischen“, wenn sie etwas gut gemacht haben, beim Spiel oder bei ihren Aufgaben.

Fortschritte sichtbar machen

Routine etabliert sich besonders gut, wenn der Fortschritt der Kinder sichtbar gemacht wird. Bei der Morgenroutine kann dies ein ­Erinnerungsmarker am Türstock sein, für die Abfolge Waschen, Anziehen, Bett-Machen, Frühstücken, alternativ ein Magnetboard mit Spielsteinen. Für die Schulleistungen sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt, um ein Lob, eine gute Leistung oder die Hilfestellung für andere sichtbar zu machen: zum Beispiel ein Erfolgsjournal der Familie als Whiteboard. Eltern stellen damit sicher, dass auch kleine Erfolge in der Familie wahrgenommen und gefeiert werden und nicht bis zur Heimkehr der arbeitenden Eltern verloren gehen.

Entscheidend sind die Freude und Lockerheit, mit der Familien Routinen angehen, denn das Gehirn lernt spielerisch mit Spaß erst richtig gut! Eltern sind dann nicht mehr die ­drängenden, unter Zeitdruck stehenden Kontrolleure, sondern liebevolle, begleitende Coaches.

Zeitmanagement in der ­Familie ist also vorrangig eine Frage des Mindsets und der klugen Nutzung von Routinen. Diese dienen der gesunden Entwicklung der Kinder und entlasten gleichzeitig die Eltern – nicht nur im Alltag.



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