Computerspielen und Lernen – Wer zockt, lernt besser - Magazin SCHULE
Denken & Diskutieren

Computerspiele: Wer viel zockt, lernt besser? Na ja

Actiongames trainieren viele Fähigkeiten, die für Schule und Uni wichtig sind. Aber lernen regelmäßige Zocker deshalb wirklich besser?


Für irgendwas muss die ganze Zockerei doch gut sein! Anscheinend nach diesem Motto fahnden Forschende immer wieder einmal nach Dingen, die regelmäßige Computerspieler besser können als Menschen, die ihre Lebenszeit ohne Ego-Shooter und Co. verbringen. Tatsächlich werden sie dabei sogar fündig: Ja, intensives Daddeln schult durchaus etliche Fähigkeiten, und einige davon sind sogar für die Schule nützlich! Also, zumindest theoretisch.

Zum Beispiel stärkt regelmäßiges Ego-Shooter-Spielen die Wahrnehmung und das Arbeitsgedächtnis, wie kürzlich Ru-Yuan Zhang von der Jiaotong-Universität in Shanghai und Adrien Chopin von der Universität Genf mit ihren Kolleginnen und Kollegen zeigen konnten. In der Online-Zeitschrift  „Communications Biology“, einem frei verfügbaren Ableger der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature“, beschreiben sie ihr Vorgehen: Freiwillige, die zuvor nicht intensiv gedaddelt hatten, spielten über einen Zeitraum von zehn Wochen hinweg insgesamt 45 Stunden lang entweder Actiongames wie „Call of Duty“ oder Lebenssimulationsspiele wie „Sims“. Vorher und danach testeten die Wissenschaftler, wie schnell die Teilnehmenden Bewegungsmuster erkennen und wie gut sie sich Kombinationen aus Formen und Geräuschen merken konnten.

„Action-Videospiele erleichtern das Lernen Lernen“, freuen sich die Forschenden

Das Ergebnis: Wer 45 Stunden lang feindliche Computersoldaten abknallen musste, kam dafür anschließend deutlich besser mit den Formen, Geräuschen und Bewegungen zurecht als jene, die am Computer nur virtuell Freunde bekochen durften. „Action-Videospiele erleichtern das Lernen Lernen„, freuen sich die Autoren in der Überschrift ihres Artikels.

Aber ist das wirklich so?

Während wir lernen, nehmen wir ständig etwas wahr: Wir lesen Texte, suchen Unterschiede, erkennen Muster. Je schneller wir dabei sind, umso besser. Auch das Arbeitsgedächtnis spielt im Lernalltag eine große Rolle: Was hat die Lehrerin gerade gesagt? Was war vorhin die Bedeutung dieser Vokabel? Wonach war in der Aufgabe gleich wieder gefragt? Wer sich solche Dinge leichter und länger merken kann, lernt in der Tat leichter.

Zocker sehen besser, und sie sind auch fokussierter

Auch andere relevante Fähigkeiten werden beim Computerspielen trainiert. So können regelmäßige Zocker entgegen landläufiger Meinung sogar besser sehen als Durchschnittsmenschen, mühelos erkennen sie kleinste Details, die anderen entgehen. Auch gelingt es ihnen besser, sich auf einen Aufgabe zu fokussieren – wieder etwas, das computerspielkritische Eltern eher nicht erwartet hätten. Die Hirnforscherin Daphne Bavelier, in derer Arbeitsgruppe auch der Co-Studienautor Adrien Chopin forscht, hat diese Effekte anschaulich in einem TED-Vortrag beschrieben, den man sich hier ansehen kann.

Im Labor können Wissenschaftlerinen und Wissenschaftler diese Vorgänge sogar live mitverfolgen: In MRT-Scans sind die dafür verantwortlichen Netzwerke im Gehirn bei Computerspielenden deutlich aktiver als bei anderen Personen. Wobei man einschränken muss: Wirksam sind in dieser Hinsicht vor allem Actionspiele – also gerade jede Games, die viele Eltern aus ganz anderen Gründen abstoßend finden.

Wie viel sagen experimentelle Studien über den Alltag an Uni oder Schule aus?

Hinzu kommt: Die Aufgaben, mit denen in den Studien die Lernleistungen der Versuchspersonen verglichen werden, erinnern viel mehr an Computerspiele als an Schulunterricht. Sie sind zwangsläufig einfach strukturiert, standardisiert, auf Messbarkeit ausgelegt – sonst wären die Ergebnisse nicht untereinander vergleichbar. Aber leider sagen sie somit auch nur begrenzt etwas über das Lernen für Schule, Studium oder den Job aus.

Wer schnell lesen soll, muss rasch Buchstaben erkennen, das ist klar. Aber noch wichtiger ist, deren Sinn zu erfassen. Ein Muster aus Formen und Geräuschen ein paar Momente lang erinnern zu können, ist sicher auch hilfreich. Aber viel bedeutsamer ist, die Beobachtungen mit einer Erkenntnis zu verknüpfen. Nur: Welche Erkenntnis liegt darin, dass vor ein paar Sekunden eine Stimme „B“ sagte, während das Quadrat am Bildschirm oben rechts stand?

Wer spielt, wird besser – im Spielen

Wenn man ehrlich ist, stehen solche psychologischen Versuche zur Realität wie ein Bauklotzturm zum Kölner Dom: Ein bisschen können wir erkennen, aber an das Original reichen wir nicht heran. Wissenschaftlerinnen wie Daphne Bavelier hoffen trotzdem, eines Tages mit ihren Erkenntnissen über Computerspiele gezielt das Lernen unterstützen zu können: Indem zum Beispiel jemand beim Zocken genau die Fertigkeiten trainiert, die sie oder er gut gebrauchen kann. Das ist ein sinnvolles Ziel – aber auch noch weit entfernt.

So lange jedenfalls gilt fürs Daddeln wie für jede andere Tätigkeit auch: Du übst, was du übst. Wer regelmäßig Actiongames spielt, wird am Ende besser Actiongames spielen. Und nur wer regelmäßig Vokabeln lernt, wird am Ende seine Vokabeln können. Aber auch dafür gibt es ja heute Computerproramme …

 

Computerspielen und Lernen: „Wer viel zockt, lernt besser? Eher nein“ – Foto: Dean Moriarty from Pixabay



Unsere Themen im Überblick

Kommentieren